Kommentar Bildungspaket: Nicht die Norm
Ursula von der Leyen zeigt sich selbstbewusst. Aber die Politik misstraut Hartz-IV-Eltern und setzt dem Klischee der Abzocke nichts entegegen.
E s ist eines der wichtigsten Prestigeprojekte der schwarz-gelben Koalition. Und hier insbesondere das der CDU-Arbeitsministerin: das Bildungspaket für ärmere Familien. Mit den 426 Millionen Euro jährlich soll Kindern geholfen werden, deren Eltern sich das Schulmittagessen, die Musikschulstunde oder die Klassenfahrt nicht leisten können.
Ursula von der Leyen hat sich am ersten Jahrestag des Inkrafttretens selbstbewusst gezeigt. Obwohl nur gut jede zweite berechtigte Familie diese Hilfen in Anspruch nimmt, sagt die Ministerin im Brustton der Überzeugung, dieses Projekt sei „aus dem Gröbsten raus“. Ein Satz mit einem solchen maternalistischen Tonfall stößt auf. Er macht, dass man den Ausführungen der Frau Ministerin nur halb glaubt. Denn der Skandal an diesem Hartz-IV-Paket ist doch, dass Unterprivilegierte kein Bargeld bekommen für ihre Kinder, sondern zu Bittstellern degradiert werden. Der Skandal ist, dass der Staat seinen Bürgerinnen und Bürgern zutiefst misstraut.
Es mag sein, dass es Hartz-IV-Eltern gibt, die sich vom Kindergeld teure Handys kaufen oder sich bizarre Nagelmodellagen applizieren lassen. Die nicht ihrem Sohn, ihrer Tochter passendes Sportzeug oder die Kinokarte bezahlen. Die gibt es.
Aber die Norm sind sie nicht. Aus der anhaltenden Untätigkeit der Bundesregierung entstehen doch erst derlei Ungerechtigkeiten. Und, nicht zu vergessen, bürokratische Monster, die, sich selbst finanzierend, die Armut verwalten.
Die Politik könnte dem etwas entgegensetzen. Zum Beispiel den gesetzlichen Mindestlohn einführen, damit Eltern nicht zu „Aufstockern“ werden, weil das Geld nicht reicht. Die Politik könnte Kindern endlich einen angemessenen Hartz-IV-Satz zusprechen. Aber Schwarz-Gelb tut es nicht. Und die große Koalition hat es auch nicht getan. Das Misstrauen, es ist zu groß.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Erpressungs-Diplomatie
Wenn der Golf von Mexiko von der Landkarte verschwindet
Tod von Gerhart Baum
Einsamer Rufer in der FDP-Wüste
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören