piwik no script img

Kommentar BevölkerungsprognoseAufbau mit vielen Akteuren

Uwe Rada
Kommentar von Uwe Rada

Eine Studie zeigt: Berlin wird stärker wachsen als bislang vermutet. Die Stadtentwicklung muss darauf schnell reagieren.

N un ist es quasi amtlich: Berlin steht vor einem so überraschenden wie rasanten Anstieg der Bevölkerung. Rasant, weil ein Zuwachs von 100.000 alleine in drei Jahren alle Parameter der Stadtentwicklung auf den Prüfstand stellt. Überraschend, weil die Politik vom Gegenteil ausging. Doch die Zahlen der Bertelsmann Stiftung werden auch in der Verwaltung nicht angezweifelt.

Berlin wächst also. Angesichts der teilweise dramatischen Schrumpfungen in Ostdeutschland ist das eine gute Nachricht. Vor dem Hintergrund eines Wohnungsmarktes, der jetzt schon zu drastischen Preissprüngen führt, ist sie allerdings besorgniserregend. 30.000 neue Wohnungen wollen SPD und CDU in den nächsten fünf Jahren bauen lassen - auf der Basis der Senatsprognose, die bislang nicht von einem Bevölkerungswachstum ausging.

Schnell reagieren

Die Politik muss also schnell reagieren. Wer, wie die SPD, alleine auf die Genossen in den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften vertraut, kommt ebenso wenig weiter wie eine CDU, bei der es die privaten Investoren richten sollen.

Was die Stadt braucht, ist ein Aufbauprogramm der vielen Akteure. Wohntürme können dazu genauso gehören wie Baugemeinschaften, die auf landeseigenen Grundstücken in Erbpacht bauen.

Reagiert die Politik nicht, drohen Berlin massive soziale Spannungen. Der neue Senat entscheidet bereits am 8. November über sein Haltbarkeitsdatum.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Uwe Rada
Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • EA
    Enzo Aduro

    @Baumann

    Oder um es anders zu sagen: Die Häuserpreise sind viel stärker gestiegen als die Mieten. Weil einerseits von weiter steigenden (nominalen) Mieten ausgegangen wird, andererseits die Immobilie als Notnagel vor der Inflation gilt. Daher wandern viele "Eigentumswohnungen" auch wieder in den Mietmarkt. Weil Sie von Leuten gekauft werden die nicht genug Geld für ein ganzes Haus haben, aber Ihr (kleines) Vermögen Inflationssicher anlegen wollen - und Aktien nicht trauen. Die sind im Moment auch bereit sich mit wenig Miete im Vergleich zum Kaufpreis abzugeben. Weil Sie ja eher Ihre Kaufkraft erhalten wollen, als "Rendite" zu machen. Ganz abgesehen davon das Sie das ganze ja auch noch mit festverzinslichen Krediten (langfristig, zu niedriegem Zins) teilfinanzieren können.

     

    Daher ist prinzipiell Geld da. Der Senat muss nur mit Flächen und Genehmigungen hinterherkommen.

     

    Das der Senat mit Wohnungsbau da noch groß was macht sehe ich nicht als vorteilhaft. Einerseits quersubventioniert das ganze (bezahlt also die Miete teilweise für EINZELNE aus dem Stadtsäckel) und andererseits, wäre er bei einer Immobilienblase selbst getroffen. Und in diesen bewegten Zeiten kann das überall passsieren. Und die Immobilienblase und eine Rezession würden ja zusammen kommen. Denn wenn es Berlins wirtschaft schlecht geht, wandern weniger ein und mehr aus. Kein guter Zeitpunkt, wenn die Steuern wegbrechen auch noch lauter leere Wohnungen unterhalten und finanzieren zu müssen!

  • EA
    Enzo Aduro

    @Baumann

    Nun wenn man das mit den Genehmigungen schnell genug hinbekommt, was ja eine Frage des politischen Willens ist, und die Flächen zum Bauen zur Verfügung stellt, dann wird man das Geld sicher bekommen. Warum?

     

    *Die Zinsen sind (im Moment) niedriger als die Inflation

    *Die Zinsen sind niedrig

    *Es gibt massive Ängste vor Hyperinflationen

    *Deutschland gilt als sicherer Markt im vgl. zu Südeuropa, so bringen im Moment viele Griechen ihr Geld in Sicherheit in dem Sie in Berlin Wohnungen kaufen.

    *Berlin ist Weltweit als Trendstadt bekannt.

     

    PS: Die Immobilienbranche war immer so eine Art schweinezyklus. Das besondere aber an Berlin ist das sich die Wachstumsperspektive total gewandelt hat. Heute dürften sogar Investoren die vor 5 Jahren anscheinend Fehlinvestitionen getätigt haben (Potsdamer Platz, Neukölln Aarkaden) wieder im grünen Bereich sein.

     

    Nur das mit den Bauarbeitern muss man mal schauen. Aber bei 13% Arbeitslosen und einer so guten erreichbarkeit, insb. aus Ostdeutschland, dürfte das kein Problem sein Bauarbeiter anzukarren.

  • B
    Baumann

    Dass es in Berlin jetzt plötzlich einen Bauboom geben wird, durch den dann pünktlich in vier Jahren 30.000 neue Wohnungen bereitstehen ist äußerst unwahrscheinlich. Nicht nur, dass die Bauverwaltungen einiges an Zeit brauchen dürften, einen sich so schlagartig auftürmenden Berg an Bauanträgen zu bearbeiten und man gar nicht so schnell genügend Bauarbeiter bekommen dürfte (an denen es zum Teil jetzt schon mangelt). Vor allem müssten sich erst einmal Investoren finden, die diesen Prognosen trauen, die schon so oft daneben gelegen haben - man denke nur an den massiv überzogenen Bauboom in Ostdeutschland und die Pleitewelle der Investoren durch den unerwarteten Ausstieg Berlins aus dem sozialen Wohnungsbau.

    Viel Wahrscheinlicher ist daher, dass es mal wieder den in der Immobilienbranche typischen Schweinezyklus geben wird: Erst Wohnungsnot, dann Bauboom, dann Überangebot und so weiter.

  • EA
    Enzo Aduro

    Vor allem muss die Politik die Flächen bereitstellen und die Genehmigungen schneller bearbeiten. Jede Baulücke im S-Bahn Ring ist nun ein Affont. Da sollte man eigentlich die Grundsteuer verfünffachen! Auch muss man den lokalen Egoismen wie bei Schrebergärten, am Tempelhofer Feld und neben dem Mauerpark energisch entgegentreten! Wer ein innerstädtischen Schrebergarten will soll nach Brandenburg an der Havel ziehen! Hier kommt die Wohnung für Menschen an erster Stelle! Auch bei der Hinterhofbebauung muss man Wege gehen. Es gibt so viel Potential für eine Nachverdichtung. So viele kahle Brandschutzwände Richtung Süden/Südost/Südwest. Da kann man ein Haus ranpappen.

    Und als letzten "Nachbrenner" kann man Wohnhochhäuser, wie ein 150m Ding am Alex gebaut werden soll, gutheißen, wenn Sie nicht allzu viel verschatten. Warum davon eigentlich nicht ein paar mehr? Wenn die direkt neben einer U oder S-Bahn Station stehen?

     

    Aber spätestens mit dieser Studie sind die Initiativen "Mauerpark" und "Tempelhofer Feld" zu Gegnern gesamtberlinerischer Interessen geworden. Sie gehören von Gesamtberlin überstimmt!

     

    Platte Kapitalismuskritik reicht nicht. Entweder heute drehen sich die Kräne, oder Morgen gibt es ein Desaster. Wer den Kran bezahlt ist zweitrangig. Denn jeder der ein Haus baut wird es vermieten oder verkaufen. Und das saugt Nachfrage vom Markt.

  • EA
    Enzo Aduro

    Zur Ehrenrettung der Politik muss man aber sagen das die Bertelsmann Stiftung in Ihrer Prognose von 2006 für 2020 mit einer Schrumpfung auf 3.372.536 und in der 2009er Studie mit einem sehr sanften Anstieg auf 3.443.291. Daher ist die Senatsstudie von 2008 nicht schlecht, sondern nur alt.

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Einwohnerentwicklung_von_Berlin

     

    Die Zukunft Berlins hat sich eben in den letzten Jahren enorm gewandelt. Von der "verschlafenen Bankrottstatt" zur "coolsten Stadt der Welt". Ums mal etwas plakativ zu formulieren.

     

    Aber dennnoch: Die Flächen sind da! Auch nah an der Innenstadt. Berlin Bot mal 4,5 Millionen eine Heimat!