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Kommentar AufsichtsratDeutscher Feudalkapitalismus

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Der Aufstieg der Ursula Piëch erinnert ihre Geschlechtsgenossinnen daran, warum eine Frauenquote in den Unternehmen so dringend nötig ist.

H ätte VW-Magnat Ferdinand Piëch einen weiteren Bruder oder Cousin in den Aufsichtsrat bugsiert – es hätte absolut niemanden interessiert. Denn es ist keine Nachricht, dass ein Familienunternehmen vom Familienclan beherrscht wird. Zu einer bemerkenswerten Personalie wird die Rochade im VW-Aufsichtsrat nur, weil Piëch ausgerechnet seine Ehefrau Ursula beruft.

Eine Gattin, die Karriere als Konzernmanagerin macht – das weckt nicht nur in Deutschland zahlreiche Assoziationen. Da ist zunächst der Mythos vom Aschenputtel: Ursula Piëch hat es vom Kindermädchen zur Milliardärin gebracht. Davon träumen viele, wie in den Vorabendserien des Fernsehens zu bestaunen ist.

Vor allem aber fällt erneut auf, dass in den Führungsgremien der deutschen Wirtschaft fast nur Frauen sitzen, die gleichzeitig Gattinnen mächtiger Männer sind. Wer diesen dynastischen Bonus nicht vorzuweisen hat, bleibt als Frau spätestens im mittleren Management stecken. Der Aufstieg der Ursula Piëch erinnert ihre Geschlechtsgenossinnen daran, warum eine Frauenquote in den Unternehmen so dringend nötig ist.

Bild: taz
Ulrike Herrmann

ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.

Damit soll nicht gesagt sein, dass Ursula Piëch ihren Job im VW-Aufsichtsrat nicht ausfüllen wird. Wer sie kennt, beschreibt sie als eine fähige Managerin. Aber das ist nicht der Punkt: Auch andere Frauen wären kompetent und qualifiziert – schaffen es aber nicht nach oben, weil sie nicht in die Führungselite eingeheiratet haben. Deutschlands Unternehmen gehören zum Kern des globalisierten Kapitalismus, aber ausgerechnet dort geht es zu wie im feudalen Mittelalter. Es zählen allein die Herkunft und die verwandtschaftlichen Beziehungen.

Wenn Ferdinand Piëch stirbt, soll Ursula sein Erbe verwalten. So hat er es testamentarisch verfügt. Diese dynastische Regelung ist bei Familienunternehmen normal, im Fall von VW aber bedrohlich. Der Konzern dominiert inzwischen weite Teile der deutschen Automobilproduktion, da kann jede Fehlentscheidung Tausende von Arbeitsplätzen kosten. Bei Ferdinand Piëch traf zufällig zusammen, dass ein Porsche-Enkel auch ein fähiger Manager ist. Aber selbst wenn sich Ursula als eine würdige Nachfolgerin erweisen sollte – diese Kultur einer einsamen Führungsspitze sollte sie nicht wiederholen. Sie ist zu riskant.

Genau deswegen wird ja allerorten die Teamarbeit entdeckt und sollen Aufsichtsräte eigentlich unabhängig sein. Das Patriarchat ist nicht mehr zeitgemäß. Auch nicht als Matriarchat.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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12 Kommentare

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  • C
    Chesterfield

    Vetternwirtschaft,s'bleibt halt alles in der Familie.Pfui Deibel.

  • K
    KdF-Wagen-Analyst

    Da schafft es mal eine Leistungsträgerin an die Spitze, doch schon wieder ist es Frauen nicht recht. Ist aber verständlich, dass kleinbürgerliche Bildungsbürgerinnen so ticken müssen.

    Nicht den Führerkult infrage stellend, sondern im festen Glauben daran, dass Bildungszertifikate plus möglichst viele (Auslands)Praktika den Weg in die oberen Hierarchieebenen ebnen müssten, sind sie die treuesten Anhängerinnen der Lohnarbeit. Deshalb auch ihre tiefe Abneigung gegen "Herdprämien". Denn Freiheit ist für sie die freie Käuflichkeit von LohnarbeiterInnen. Und wenn es einen Riss in ihrem Weltbild gibt, weil Frauen trotz vieler Bildungszertifikate und Praktika doch nicht ganz an die Spitze vorrücken, dann bestehen sie darauf, dass es eine, aber auch nur die eine Ungerechtigkeit auf der Welt gebe, nämlich sexistische Männerbünde. Bei all der Begeisterung für die Marktwirtschaflerei frage ich mich immer wieder, weshalb all die doppelt so guten Frauen nicht lauter hochprofitable Unternehmen gründen.

  • H
    Hans

    Es ist nicht nur in Großunternehmen feudal, sondern allgemein ist Deutschland ein Land, dass soziale Durchlässigkeit stetig abbaut. Und Frauen und Migranten spüren das besonders deutlich, weil sie eben in bestimmten Bereichen der Wirtschaft gar keine Chancen haben, aufzusteigen. Es gibt in den meisten Städten und Kommunen meist keinen einzigen Menschen mit Migrationshintergrund, der eine Abteilung oder ein Miniamt leitet. In der Wirtschaft sind Frauen meist ab Vorstand nicht vorhanden. Manchmal aber auch darunter.

    Das ist kein Zufall, sondern gewollt.

     

    Und Ferdinand Piëch ist auch ein Fall für sich: Jahrelang schwirrten die Betriebsräte von VW in Bordelle, ließen den Champus fließen, VW zahlte und zahlte, aber Piëch wußte von nichts ... ich finde diese ganze Familie Piëch ziemlich unsauber. Und ob nun eine Frau aus dieser Truppe dort sitzt oder nicht, macht für mich keinen Unterschied. Es könnte auch ein Mann aus der Familie sich dorthin setzen, es würde wenig daran ändern, dass Patriarch Ferdinand Piëch dort die Fäden zieht.

  • EM
    Eberhard Müller

    Frau Herrmann schreibt: “Vor allem aber fällt erneut auf, dass in den Führungsgremien der deutschen Wirtschaft fast nur Frauen sitzen, die gleichzeitig Gattinnen mächtiger Männer sind. Wer diesen dynastischen Bonus nicht vorzuweisen hat, bleibt als Frau spätestens im mittleren Management stecken. Der Aufstieg der Ursula Piëch erinnert ihre Geschlechtsgenossinnen daran, warum eine Frauenquote in den Unternehmen so dringend nötig ist.”

     

    Mir fällt etwas anderes auf: In den Führungsgremien der deutschen Wirtschaft sitzen fast nur Männer und Frauen, die zu den 1000 reichsten Familien Deutschlands gehören, egal ob Männlein oder Weiblein.

    Ich ziehe deshalb auch eine andere Schlussfolgerung als Frau Herrmann: Es wird Zeit, dass wir Kinder der Arbeiter in die Universitäten und Unternehmensvorstände senden, und dass wir die Kinder der Oberschicht in die Fabriken ans Fließband oder in der Landwirtschaft zur Feldarbeit senden. Dieser Vorschlag würde wohl von den meisten Leuten stalinistisch genannt, aber wie bewerten die Leute die Frauenquote?

  • KP
    K. P.

    > Der Aufstieg der Ursula Piëch erinnert ihre

    > Geschlechtsgenossinnen daran, warum eine Frauenquote

    > in den Unternehmen so dringend nötig ist.

     

    Also ich denke, dass dieser Aufstieg "Alle", nicht nur Geschlechtsgenossinnen, daran erinnert, warum Vetternwirtschaft unterbunden werden sollte.

     

    Die Frauenquote würde ja auch nichts daran ändern, dass Firmenbosse ihre Frauen bevorzugen, sondern Ihnen noch etwas geben, auf das sie verweisen können, wenn ihre Auswahl in Frage gestellt wird.

  • O
    otto

    Nicht schlecht , taz-Mod ! Keine Halluzination , der Kommentar von Effra Yant !

     

    Und , Frau Herrmann , - nicht nur der Feudalkapitalismus ist von vorgestern , der ganze Kapitalismus ist ein Auslaufmodell . Wäre schön , wenn Sie darüber mal in einem kommentar ein paar Gedanken verlieren könnten .

  • SM
    Stephan Mirwalt

    "Der Konzern dominiert inzwischen weite Teile der deutschen Automobilproduktion, da kann jede Fehlentscheidung Tausende von Arbeitsplätzen kosten."

     

    Und was wäre daran schlimm? Jeder der für diese faschistische Autoindustrie arbeitet verdient die Arbeitslosigkeit! Und wenn es nach mir ginge sollte man diesen Leuten auch keinen Cent Hartz4 überweisen.

     

    Ich fahre auch nur mit dem Fahrrad und empfinde Autofahrern gegenüber nichts als Verachtung.

  • M
    margarete-sophie

    bloß ein bißchen *frauenquote* löst nicht das problem - denn das liegt ganz woanders: in unserem eigenen selbstbild nämlich ... die schwierigkeit ist unter diesem sprichwort bekannt: "schuster bleib bei deinen leisten!" ...

    die (ver)änderung liegt in der (ver)änderung der inneren einstellung: wer bin ich wirklich? (die antwort auf diese frage kann berge versetzen!)

  • M
    majo

    Die Wahrscheinlichkeit einen Manager-Posten in einem Konzern zu erlangen ist generell sehr sehr gering...

    Dazu braucht es eine besondere Persönlichkeit, Ausbildung und das nötige Startkapital/ Glück um die richtigen "Freunde" zu finden, die einen dort hineinhelfen. Von "unten" kommt dort generell keiner mehr rein.

     

    Nur während über eine Frauenquote leidenschaftlich gestritten wird, wäre doch der Anreiz Frauen zur Unternehmensgründung zu bewegen doch auf lange Sicht zweckmäßiger...

  • W
    Wolf

    Viele Frauen handeln wider ihrer natürlichen Bestimmung und davon werden die meisten im fortgeschrittenen Alter unnötig krank.

     

    Beruf + Familie mit Kindern sind i.d.R. wie Feuer und Wasser und gewisse Elemente passen nicht zueinander.

    Die meisten Frauen haben das leider noch nicht begriffen.

  • K
    Karsten

    Sie denken wirklich, dass es Männern ohne Vitamin-B anders geht?

    Wenn nicht, dann nehmen Sie große Ungerechtigkeiten in Kauf.

     

    Meiner Meinung nach sind die Argumente der Quotenbefürworter meist recht unreflektiert. Da werden Ungerechtigkeiten auf individueller Ebene hingenommen um andere auszugleichen. Unfair!

     

    In meiner Branche (Ingenieur M/I/E) steht unter fast jeder Ausschreibung: "Frauen bei gleicher Qualifikation bevorzugt"

     

    Wenn sie in diesen Unternehmen eine Frauenquote fordern, die unterhalb der Quote der Basis liegt, dann bedeutet dies einen Beförderungsstopp für männliche Mitarbeiter über mehrere Jahre. Die Motivation junger Ingenieure können Sie sich dann ausmahlen.

     

    Außerdem hätten Frauen mit Quotenregelung deutlich größere Autoritätsprobleme. Sie können ein Team nur leiten, wenn sie als Führungskraft akzeptiert werden. Das ist schwierig mit einer gesetzlichen Regelung.

     

    Zum Schluss möchte man noch sagen, dass durch diese Diskussion die Frauen und Männer degradiert werden, die ihr Leben gerne als Hausfrau oder Hausmann verbringen möchten. Die werden bei der Diskussion völlig ausgelassen. Vlt. fehlt uns die Erkenntnis, dass erfolgreiche Kindererziehung eines der wichtigsten Bausteine unserer Gesellschaft ist und respektiert gehört? Das ist allerdings eine gesellschaftliche Frage und keine juristische.

     

    Richtig ist natürlich, dass man Frauen alternativen zu diesem Lebensstil anbietet, hat er sich doch historisch gefestigt. Ich denke die Quote ist der falsche Weg, aber wir sind garnicht so Abseits des Pfades. Kindererziehung braucht eine neue Anerkennung und Bezahlung.

     

    Es gibt noch mehr Gegenargumente gegen ein Quote, aber dann wird der Text zu lang.

  • EY
    Effra Yant

    Vorvorgestern Eurorettung, vorgestern Ratingagentur, gestern Breivik und heute ist nun Frau Piëch dran.

     

    Ein beachtliches Volumen an Kommentaren, welches die hochproduktive Frau Herrmann da zu unterschiedlichsten Themen zusammenkritzelt.

    Dass die inhaltliche Qualität der Texte dabei auf der Strecke bleibt, wird niemanden wirklich wundern.

     

    Na, Frau Herrmann, wie wär's? Mal einen Gang zurückschalten, nicht zu jedem Themalein, das daherkommt (und sei es noch so gruselig-lusterzeugend) ein paar unausgegorene Gedanken in die Welt hinausposaunen und zur Abwechslung mal in Ruhe nachdenken bevor Sie auf die gepeinigte Tastatur losgehen?

     

    Ich frage mich, wie eine derartige Kommentarflut einer einzelnen Autorin überhaupt möglich ist.

    Sitzt die Chefredaktion mal wieder gefesselt und geknebelt in der Ecke und muss hilflos zusehen, wie Frau Herrmann das Netz zumüllt?