piwik no script img

KolumnePrädikat "besonders wertvoll"

Kommentar von Adrienne Woltersdorf

Bisher war ich eine vorbildliche Kundin. Auch in den USA. Leider sieht das mein Autoverleiher anders.

W er zahlt, ist Kunde, und Kunde ist König. Wir Bewohner vom feudalistischen "Old Europe" sind noch der Ansicht, so rum mache man gute Geschäfte. Solche Glaubenssätze hinter sich lassend, hat sich der US-amerikanische Unternehmer längst von seiner Untertanenschaft emanzipiert.

Bild: taz

Adrienne Woltersdorf (40) berichtet seit 2005 für die taz aus Washington. Faszinierend an den USA findet sie, dass sich alle Vorurteile bestätigen lassen - und zugleich widerlegen.

Der König Kunde darf sich da höchstens in einer repräsentativen Monarchie wähnen, und wehe, er will nicht so wie der Souverän, zum Beispiel die Finanzbuchhaltung einer Firma XY. Dann gibts aber was auf die Finger. Eine Kollegin mailte mir kürzlich erstaunt eine Meldung, die sie in einer deutschen Wirtschaftszeitung gefunden hatte: Es ging um den Chef des US-Mobilfunkanbieters Sprint-Nextel, Gary Forsee. Der hatte jüngst 1.100 Kunden die Verträge gekündigt. Nicht etwa, weil sie nicht pünktlich gezahlt hätten. Nein, das ist ja in einem Land wie den USA, wo Schulden machen zum guten Ton gehört, ein Kavalierdsdelikt. Nein, die Kunden waren einfach zu lästig. Denn innerhalb von sechs Monaten haben sie insgesamt 40.000-mal die Kunden-Hotline angerufen und das Unternehmen mit dummen Fragen vom Geldverdienen abgehalten. Das war Forsee zu nervig. "Aus der Anzahl der von Ihnen gestellten Anfragen ist zu schließen, dass wir Ihre aktuellen Mobilfunkbedürfnisse nicht befriedigen können", schrieb er an die Nervensägen und kündigte ihnen.

Ich kann den Armen nachfühlen. Bin ich doch kurz nach meiner Ankunft in Washington von Sprint-Nextel als Betrügerin abgestempelt worden. Anstatt einer Erklärung hatte die Firma mein nagelneues Handy gleich wieder gekappt. Es hieß, meine angezahlten 250 Dollar würden konfisziert und tschüss. Man mache keine weiteren Geschäfte mehr mit mir. Es kostete mich damals einen ganzen Tag und eine Nacht, um in endlosen Telefonmenüs hängend herauszufinden, was schiefgelaufen war. Der Fehler fand sich schließlich. Mein Handy-Händler hatte seine statt meiner Adresse und auch noch ins falsche Formularfeld eingetragen. Irgendwann ging das Handy wieder. Ohne Erklärung, Nachfrage oder Entschuldigung. Na ja, dachte ich damals, dumm gelaufen. Doch just an dem Tag, als die amüsierte Kollegin die Meldung mailte, bestrafte mich ein anderes US-Unternehmen, mit dem ich meinte, gute Geschäftsbeziehungen zu unterhalten.

Es ist die Autovermietung, die sich schlicht "die Firma" nennt, als gäbe es zu ihr weiter nichts hinzuzufügen, Enterprise. Ich habe dort ein Firmenkonto, bekomme Mengenrabatt und war bislang ganz zufrieden. Bis ich letzte Woche am Flughafenschalter von Minneapolis die Autoreservierung vorlegte. Der freundliche Blick von Jason hinter dem Schalter verfinsterte sich, nachdem er meine Führerscheinnummer eingegeben hatte. Anstatt mir mein Auto zu geben, verschwand Jason. Ich sah ihn zwischendurch andere Kunden bedienen, wunderte mich. Als ich ihn wieder zu fassen bekam, sagte er, da sein ein kleines Problem. Es verging eine Viertelstunde, noch eine, und noch eine. Verwundert und verärgert verlangte ich den Manager zu sprechen. Heraus aus dem Kabuff kam eine Miniaturausgabe von Henry Maske. Ja, es gäbe ein Problem, Unregelmäßigkeiten. Ich wusste nicht, dass meine Enterprise-Personalakte nicht lupenrein war. Henry Maske sagte sporadisch, dass da etwas nicht korrekt sei. Bald schaute er, als werde er mir gleich einen Kinnhaken verpassen.

Schließlich fragte ich, ob er mir denn noch ein Auto vermieten werde. Nein, sagte Henry trocken und unapologetisch. Ich war sprachlos. Hier stand ich, als zuverlässige Kundin, keine Kratzer oder leeren Tanks, aber Henry schaute genervt auf seine Uhr und drehte sich schließlich auf dem Absatz um. Ich weiß bis heute nicht, was das Problem ist. Bei Enterprise bin ich jedenfalls gefeuert.

Damit Sie aber kein falsches Bild bekommen: US-Unternehmen können auch reizend sein. Vor zwei Wochen bekam ich von Sprint eine Urkunde. Ich sei eine "besonders wertvolle Kundin". Mein Vertrag dort läuft in einigen Wochen aus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!