Kolumne Wortklauberei: Gutti. Wie es wirklich war
So viele Fragen sind offen in der Affäre Guttenberg. Vielleicht gibt's in der Zukunft Antworten.
D onnerstagabend Anfang März 2014, ein interessanter Gast bei Johannes B. Kerner. Da sitzt, mit rausgewachsenen Haaren, Fusselbart, im Hawaiihemd und recht sympathisch, ohne Gel und Getue, der Expolitiker Karl-Theodor zu Guttenberg, den seine Freunde Tscharlie nennen. Und dann erzählt er, wie das damals war.
Wie ihm seit frühester Kindheit das Hirn verbogen worden war von seiner Familie und der ganzen Leistungs- und Geltungsscheiße in diesen CSU-und-Adelskreisen, und wie er nie die Kraft hatte zu rebellieren, sondern mitspielte, braver Bub. In der Schule tat er sich noch leicht, beim Jurastudium schon nicht mehr, aber: Versagen gabs nicht. Und dann - "Bub, du tätst so einen schönen Politiker hergeben, mach uns keine Schand!" - eben in die Politik. Und wie er halb schon verreckte unter den Erwartungen und Ansprüchen und es immer mühsamer wurde, die Fassade zu wahren.
Man entwickelt dann einen ungesunden Zynismus, und so hat er halt allen erzählt, was sie hören wollten. Die waren begeistert und ließen sich ein wenig vom Leib halten, aber er sank immer tiefer in den Sumpf aus Überforderung und Lebenslüge. Dann sollte auch noch der Doktor her - ohne gings ja nicht daheim -, und da musste er langsam durchgedreht sein. Irgendwann glaubst du's ja dann selbst, dass du der Geilste bist und mit allem durchkommst. Und da hat er diese Arbeit zusammengehauen aus geklautem Zeug. Vielleicht schon insgeheim gehofft, dass alles auffliegt, aber die Uni: "Summa cum laude", oh Mann!
Und immer weiter. An die Zeit, als sie ihn dann wie die Besoffenen als Bundespolitiker hochlobten, erinnert er sich eh nur verschwommen, und irgendwann stand er da: das Gespött der Republik. Und preschte erst mal reflexartig weiter auf die alte Tour: auftrumpfen, nassforsche Sprüche - weiter! Klar hätte er da längst schnallen müssen, dass es vorbei war, aber diese Kuh im Kanzleramt sagte immer noch, er muss bleiben, sonst geht der ganze Laden vor die Hunde. Und so blieb er, bis gar nichts mehr ging.
JOSEF WINKLER lebt und arbeitet, was sein Nervenkostüm und Zeitbudget nicht unerheblich in Anspruch nimmt, in München und Palling. Hobbies: Zeichnen, Tiere, Musik, Nichtschwimmen.
Und wie er in den Wochen nach dem Rücktritt langsam aufwachte aus diesem Albtraum und sich selbst nicht ertragen konnte: dieser unnatürliche Wichtigtuer-Gestus und diese arrogante Art, die er sich als Schutzpanzer zugelegt hatte und die die Leute für Charisma hielten - die Leute, die er "für die Politik begeistert" hatte, wies überall hieß, und die jetzt sein Gesicht auf Torten malten wie liebeskranke Boygroupies, Himmelherrgott! Und wie sich seine sogenannten Parteifreunde überschlugen, jeder wollte der allergrößte Guttenbergler sein, weil sie so viel Schiss hatten vor seinen Fans. Wie er sich schämte und wie befreiend es war, das endlich zu dürfen.
Und wie er sein Leben in seine Hände nahm. Nach dem Urheberrechtsprozess ging's dann los: Jakobsweg. Indien. Sein Erbe hat er dann größtenteils Ärzte ohne Grenzen gespendet und mit dem Rest jetzt schön: Tauchschule auf Ko Samui.
Steffi hat sich auch eingekriegt und ist von ihrem schrecklichen Karriereweibchentrip runter. Und die Kids entwickeln sich wunderbar - geradeheraus und ehrlich.
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