Kolumne Wortklauberei: Maus im Brot, Staub im Hirn
Da man gar nicht konsequent sein kann im Leben, kann man es auch gleich bleiben lassen. So argumentiert der mündige Verbraucher.
G erade war der mündige Verbraucher im Radio. Straßenumfrage (eh immer top) über den Wert und die Vertrauenswürdigkeit von Gütesiegeln auf Lebensmitteln, und ein Mann führt mit zwingender Logik aus, das Siegel "Fair Trade" bedeute ihm nichts, denn es gebe nur eine vergleichsweise kleine Palette an Produkten, die fair gehandelt würden, man könne "also gar nicht konsequent sein in seinem Leben", und drum lasse er es gleich bleiben.
Das ist natürlich ein so dreifach gezwirbelter Oberschwachsinn - und in Bezug auf die Fragestellung des Beitrages off-topic -, dass man sich fragt, ob der Redakteur den O-Ton auch verwendet hätte, wenn der ihm eine Strophe von "Polonäse Blankenese" ins Mikro gejodelt hätte; Hauptsache, die eineinhalb Minuten werden voll. Aber ach, wieder ein hummeldummer Gedanke hinausgeblasen, feinstaubgleich.
Wäre interessant, wo der Typ momentan sein Brot kauft. Wir haben hier unten ja gerade großen Kummer mit der großen Großbäckerei Müller Brot. So was gibt es bei Ihnen da oben wohl gar nicht, da werden noch alle Semmeln handgebrezelt von mundgeblasenen Bäckermeistern in der Herrgottsfrüh, wenn hochromantisch der Bäckermeisterofenschein aus der Bäckermeisterstube scheint.
Ach so, bei Ihnen gibts ja nicht einmal Semmeln. Aber das andere Zeug ist handgebrezelt, und die Schrippe hat noch freilaufendes Gras unter den Hufen gespürt. Und wenn so ein Bäckerlein unziemlich handwerket und die Hygiene gering schätzt, wird es an seinen Gliedern hinausgezerret auf den Dorfplatz und zum Gespött gemacht und muss die Mehlwürmer einzeln herausklauben aus den Truhen und der Entzug der Zulassung bis ins vierte Glied droht!
39, lebt und arbeitet, was sein Nervenkostüm und Zeitbudget nicht unerheblich in Anspruch nimmt, in München und Palling. Hobbies: Zeichnen, Tiere, Musik, Nichtschwimmen.
Ja, das geht bei uns ungefähr genauso bei den Bäckerlein. Etwas anders, da ist sich der Landrat von Freising einig, muss man es aber bei einer Großbäckerei machen. Weil, wenn man den Verbrauchern schon seit zweieinhalb Jahren gesagt hätte, dass bei der Großbäckerei Müller immer wieder Hygienemängel und Ungezieferbefall beanstandet wurden, hätten diese am Ende noch von ihrer Mündigkeit Gebrauch gemacht und nichts mehr bei Müller gekauft, und da hängen doch Arbeitsplätze und Gewerbesteuer dran!
Jetzt, Knall auf Fall, haben sie ihnen die Bude zugesperrt und man hört schmallippig von "Schädlingsbefall in erheblichem Umfang", was natürlich die Fantasie anregt. Es heißt, in der Fabrik hätten sich "Mäuse getummelt", und die sollen sich von mir aus tummeln, aber bitte nicht in den Brezenteig scheißen oder sich in das Sonnenblumenbrot hineinhäckseln lassen. Und es kommt raus, es habe früher bei Müller schon öfter "Rückrufaktionen" gegeben - wie?
"Bitte die Apfeltaschen alle noch mal her, wir müssen die Schaben rauspulen!" Und ja: Es wurde Ware ausgeliefert, die "nicht für den Verzehr geeignet" ist, aber es bestand nie eine Gesundheitsgefährdung, sondern halt nur ein Ekelfaktor. Wo man als mündiger Verbraucher sagen kann: Es gibt ja so viel ekliges Zeug, da kann man in seinem Leben sowieso nicht konsequent sein. Drum hau her den Dreck - mir fressen 's scho zamm.
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