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Kolumne WechseljahrEs zählen die Werte

Wechseljahr 2008 (1): Wie fühlt sich Amerika an? Die Konservativen haben jedenfalls erstaunlich wenig Angst.

Demokraten sind sich absolut sicher, dass sie im November die Präsidentschaftswahl gewinnen werden. So offensichtlich ist die Wirtschaftsmisere, und dementsprechend verunsichert sind die Bürger, so schlecht steht es um den Krieg im Irak, so eindeutig verrückt spielt das Wetter im Klimawandel, den Präsident Bush partout nicht ernst nehmen wollte, als so heuchlerisch haben sich die christlichen Moralreiter entpuppt. Das Land - so die These - will Veränderung. Das Land wird für die Demokraten stimmen - ob nun für Obama oder Clinton.

Dagmar Herzog

Dagmar Herzog, Jg. 61, Historikerin am Graduate Center, City University of New York, forscht u. a. zum Aufstieg der religiösen Rechten in den USA

Aber die Republikaner haben überraschend wenig Angst. Viele der extrem rechten Kommentatoren - die außerordentlich beliebt sind, nicht zuletzt weil sie das "Es" der Bürger aussprechen, das man sonst nur in vertrauter Runde sagen kann, will man nicht der Political Incorrectness bezichtigt werden - sind unglücklich über die Vorreiterposition von John McCain und wünschen sich einen erfolgreicheren konservativeren Kandidaten. Nichtsdestotrotz wiegen sie sich in der Gewissheit: Die Mehrheit in diesem Land wird letztendlich weder für einen Afroamerikaner noch für eine Frau stimmen.

McCain gilt vielerorts als ein "RINO" (Rhinozeros bzw. Republican In Name Only - Republikaner nur dem Namen nach). Zahllose Amerikaner verabscheuen seine Sympathie für illegale Immigranten und nennen ihn "McAmnesty". Der ehemalige "Königmacher" der Republikaner, der evangelikale Familienratgeber und machtvolle Präsident der Lobby-Gruppe Focus on the Family, James Dobson (einer der Hauptzuständigen für Bushs zweiten Wahlsieg 2004), regt sich enorm auf, dass McCain zwar verlässlicher Abtreibungsgegner ist, sich aber nie so recht gegen die Homoehe ins Zeug gelegt hat. Andere ärgern sich, dass McCain (als selbst Folterüberlebender) ein so robuster Gegner des Waterboarding ist. Die überkandidelte rechte Kommentatorin Anne Coulter sagte sogar patzig-ironisch, wenn McCain der republikanische Kandidat wird, würde sie sich für Hillary Clinton starkmachen, denn Clinton sei eindeutig konservativer und militaristischer als McCain.

Letztendlich aber werden sich die Republikaner versöhnen. Es gibt schon jetzt Anzeichen, dass McCain überlegt, Baptistenpfarrer Mike Huckabee als seinen Vize einzusetzen. Für die konservativen Evangelikalen - etwa ein Fünftel der Wahlberechtigten - wäre das ein großes Entgegenkommen, das sie zu würdigen wissen.

Während die Demokraten auf die Lösung aktueller Probleme und den Wandel setzen - Gesundheitsreform, Wiederherstellung der ökonomischen Gerechtigkeit sowie Amerikas Glaubwürdigkeit nach den Verstößen gegen das Völkerrecht in Guantánamo - sehen Republikanische Wählergruppen die Wirklichkeit völlig anders. Der konservative Kommentator Sean Hannity etwa weiß vorauszusagen: Clinton "wird den Irak an al-Qaida überantworten." Noch wichtiger als Wirtschaft und Krieg ist für die republikanischen Wähler aber das Gefühl - wiederholt ausgesprochen am Super Tuesday -, dass der Kandidat "meine Werte teilt." Ein (Huckabee-)Wähler drückte es in Alabama zwar grammatikalisch falsch, aber eindeutig aus: "Mein Hauptanliegen ist, wie sie [die Kandidaten] zu Gott stehen - und konservativ versus liberal. Ich bin konservativ." Das mag diffus klingen, ist aber als politischer Faktor ernst zu nehmen.

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