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Kolumne Wechseljahr 2008Die Frau, der keiner traut

Wie fühlt sich Amerika? Dagmar Herzog über die Verfasstheit einer Changing Nation.

Ein Dutzend Mal ist es in den letzten Wochen passiert. Ob Republikaner oder Demokrat, Arbeiter oder Angestellter oder Intellektueller, Jüngling oder Midlifer oder jemand von eher gehobenem Alter. Ob im Fitnessstudio, im Pendlerzug oder Supermarkt. Männer, nach ihrer Meinung zum Wahlkampf befragt, verraten mir in vertraulichem Ton: "Ich traue Hillary Clinton nicht." Und warum nicht? "Sie hat einfach keine Wärme."

Noch wäre es verfrüht, einen Nachruf auf Hillary Clintons Wahlkampagne zu schreiben. Noch könnte es eine Gegenreaktion geben gegen die nun scheinbar unaufhaltsame Eigendynamik von Barack Obamas Siegeszug. Noch könnte es sein, dass Bill Clintons energisches Pochen auf die Idee, dass es sich bei Obama nur um "Schein und Rauch" handle, dann doch bei den Wählern ankommt. Aber ohne Frage handelt es sich schon jetzt um ein shakespearsches Drama. So steil ist der Sturz der ehemaligen Spitzenkandidatin, so vollkommen unvorbereitet war ihr Stab auf eine länger andauernde Kampagne.

Keiner weiß so genau, wie alles so schnell so schieflaufen konnte. Schließlich hatte Hillary Clinton vieles dazugelernt, seit sie First Lady war: Eine offensichtliche Kompetenz gerade in militärischen und außenpolitischen Fragen, aber auch in einfacher täglicher politischer Praxis. Dass ihr Sturz etwas mit vager, aber starker persönlicher Abneigung zu tun hat, ist jedoch ohne Zweifel. Schon vor mehreren Wochen schrieb die Feministin Gloria Steinem recht unwirsch, dieser Wahlkampf würde zeigen, dass die Frauenfeindlichkeit in USA stärker sei als der Rassismus. Mehr noch: Laut Steinem würden weiße Männer sich entmannt fühlen angesichts starker Frauen. Aber schwarze Männer - "solange es nicht zu viele auf einmal sind" - würden weißen Männern durch ihre Gegenwart mehr Virilität verleihen.

Viele Demokraten jedoch zeigen mit dem Finger auf Bill Clinton. Gerade in South Carolina hat er die Gunst der afroamerikanischen Wählern mit negativen Bemerkungen über Obama verspielt. So mancher wundert sich grundsätzlich, warum eigentlich Bill Clinton zu seiner Ehefrau hält trotz des langjährigen Zwists zwischen ihnen. Nur um seine eigene Erbschaft zu sichern? Nur um die narzisstische Kränkung zu überwinden, die jene peinlichen Umstände seines Abgangs als Präsident verursacht hat?

Aber auch die konservativsten Kommentatoren sind baff. Nach den ersten Vorwahlrunden lautete der Konsens: "Kein Kandidat wird die Republikaner so zusammenbringen wie Hillary Clinton." Nur wenn sie gegen dieses verhasste Weib antreten, könnten die Republikaner ihres Sieges im November sicher sein. Schon freuten sich die Clinton-Feinde, die während der Vorwahlen aus taktischen Gründen stillhalten mussten, heimlich darauf, sie nochmals erniedrigen zu können - mit neuen Exposés von frischen Liebesaffären ihres Mannes (ob wahren, bleibt dahingestellt). Dieser Spaß könnte ihnen genommen werden.

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