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Kolumne UnbeliebtMumble? Schnack!

Kolumne
von Georg Löwisch

Laptop, Mate, Mütze. An den Piraten kleben jetzt schon Klischees. Aber wenn man beim Nord-Kandidaten Alexander Levin anruft, zerbröseln sie.

D er Physiker Alexander Levin testet und verbessert Systeme. Bisher hat er das eigentlich nur für die Autoindustrie gemacht: Fahrzeugdiagnose, Software, Beratung. Aber vor einiger Zeit, es war im August 2009, hat er eine Parteiendiagnose vorgenommen. Ergebnis: Es muss was passieren.

Jetzt, im April 2012, muss er sich überlegen, wie das weitergehen wird in seinem Leben nach der schleswig-holsteinischen Landtagswahl in zwei Wochen. Denn Alexander Levin, mittlerweile Schatzmeister der Piraten im Norden, kandidiert im Wahlkreis Plön-Süd/Eutin – womöglich landet er im Parlament.

Per Mail erwische ich ihn im Süden, er analysiert gerade Systeme in München, Autos dieses Mal. Ein Telefonat? Bin ich Hans Moser in einem Schwarz-Weiß-Film? Fräulein, Vermittlung, halllooo? Ich will angemessen auftreten. Ich bin zwar ein Techniktrottel, aber immerhin: Ich skype. Könnten wir skypen?

Bild: taz
Georg Löwisch

Der Autor leitet die sonntaz-Redaktion. Seine Kolumne über den Politikbetrieb erscheint in jeder zweiten Ausgabe des Wochenendmagazins. Die sonntaz gibt es am Kiosk und auch im Wochenendabo.

Als ich die Antwortmail bekomme, steht ein Kollege neben mir. Ich lese laut vor. „Skypen kann ich leider nicht. Gruß Alexander Levin.“ Wir kichern.

Die Piraten sind gerade erst aufgetaucht. Aber schon jetzt haben sie sich – erstens – grandios unbeliebt gemacht als Störer grüner Expansionspartys. Zweitens gibt es schon Bilder von den Piraten. Etiketten: Programmierer-Jünglinge mit Bärtchen, Pferdeschwanz, Wollmütze. Sie lümmeln auf Sofas rum, verspeisen Pizza, spülen mit Club-Mate nach, und jeder Rülpser findet urheberrechtsfrei mit Hilfe raffinierter Tools Eingang in die digitale Welt.

Ich habe Levin am Telefon.

Warum kein Skype? „Hab ich noch nie probiert. Ich hätte das eingerichtet, aber das WLAN im Hotel ist vielleicht nicht so gut.“ Haben Sie Liquid Feedback, die Plattform, mit der die Basis online diskutieren und abstimmen kann? „Da sollten sie die Kollegen in Berlin fragen.“ Und Mumble, die Piratenkonferenzsoftware? „Ja, das machen wir. Unsere Vorstandssitzungen alle zwei Wochen. Und jetzt im Wahlkampf auch noch in den anderen Wochen ein Schnack“.

Er baut kurze, norddeutsch klingende Sätze. Kein prahlerischer Korsar, eher ein wortkarger Fischer. Mumble? Schnack. Er beherrscht noch nicht die Kunst, eine Selbstwerbesendung zu fahren, wirkt eine Spur unsicher. Was mich wirklich verunsichert: Die Piraten-Etiketten bleiben einfach nicht an ihm haften, die Klischees in meinem Kopf zerbröseln.

Alexander Levin, 42, Angestellter, verheiratet. Wohnt in Pinnenberg, singt in Hamburg im Oratorienchor, sagt, dass er sich wohlfühlt in der Musik. Er hat die ersten 21 Jahre seines Lebens am Plöner See verbracht, sein Opa hatte dort eine Bootsvermietung. DLRG, Kirchenchor, Ortsjugendringvorsitzender. Fahrschule in Eutin, Sportbootsführerschein in Preetz, Uni in Kiel. 2011 Hochzeit in Bosau, Holsteinische Schweiz. Immerhin hat er einen Twitter-Namen, @Quintil, und auf Fotos sieht man ihn mit Nerdbrille.

Was wollen Sie mit den Piraten? Was stimmt nicht im System? Offenheit. Freiheit im Internet. Transparenz. Ist das nicht etwas wenig dafür, dass es den rot-grünen Regierungswechsel verhindert? Regierungswechsel? Schwarz-Gelb verliert doch. Heißt: Wechsel. Also große Koalition? „Jede Dreierkonstellation wäre möglich.“ Mit den Piraten? „Ich glaube nicht, dass jemand mit uns will. Wir würden aber schon in die Diskussion über eine Regierung einsteigen.“ Und er? Könnte sich fünf Jahre beurlauben lassen. „Oder ich kündige Sonntagabend.“

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