Kolumne Später: Zahnärzte, Zen und später Sex
Wie verabschiedet man eine Alterskolumne? Mit einem munteren Aus- und Rückblick. Und mit einer Versöhnung am Ende.
![Frau mit langem Haar und Falten - es ist die Schauspielerin Vanessa Redgrave Frau mit langem Haar und Falten - es ist die Schauspielerin Vanessa Redgrave](https://taz.de/picture/968034/14/1663460.jpeg)
I m Alter von 90 Jahren könnte es noch mal losgehen. Mit meinem Blog über das Altsein. The real thing. Psychedelische Texte aus der Welt der Hochaltrigen. So wie die bewunderte Autorin Ilse Helbich, 92, in ihren Büchern, zuletzt in „Schmelzungen“: „Ich lasse mich immer öfter zurückfallen in eine andere Dimension, in der die plane Lebensfläche sich verwandelt in einen himmelhohen Traum, hier ist eine andere Luft.“
Die andere Luft wird da sein in 30 Jahren, und dann tauschen wir, werte LeserInnen der heutigen Generation 55 plus, uns aus über die Frage, welche Altersdroge die beste ist. Antidepressive, Antidemenzielle oder einfach nur der gute alte Rotwein oder vielleicht Morphium, das Ärzte zum Glück zunehmend bereitwillig verabreichen?
Im Blog können wir uns auch darüber unterhalten, ob man in Patientenverfügungen die Musik festlegen sollte, die auf dem Sterbebett gespielt wird. Bowie, Bach oder buddhistische Mantragesänge? Mein alter Freund S. hat mir das Versprechen abgenommen, auf seinem Sterbebett nur die Operetten von Paul Lincke zu spielen. Das wird Überwindung kosten.
Der Ausblick in die Zukunft ist angebracht, denn diese taz-Kolumnenserie über das Älterwerden, die „Später“ und davor „Gerüchte“ hieß, diese Serie endet hiermit nach vielen Jahren. So wurde es beschlossen, nicht von der Autorin selbst übrigens.
Eine Alterskolumne ist immer körperlich
Rückblickend muss man sagen: Es hat Spaß gemacht, auch wegen der Leserkommentare. Eine Alterskolumne ist körperlich. Ein Thema so Mitte der 40er Jahre war der Umgang mit der Verdickung in der Körpermitte. Ich hatte meiner Fettrolle einen Namen gegeben, „Felicitas“, genannt „Feli“. Feli ist immer dabei, liebt Oreo-Kekse, ist weich und warm, und mit ihr ist man nicht mehr allein. Auch LeserInnen fingen an, mit ihrem Bauchtier zu sprechen.
Dann die Frage: „Wie wichtig ist Sex?“ Da kreuzte man abwechselnd an: „Sehr wichtig“, „wichtig“, „weniger wichtig“ „nicht wichtig“. Man darf die Frage immer wieder anders beantworten, vor und zurück. Sex ist immer wichtig, auch wenn er nicht mehr wichtig ist. Und umgekehrt natürlich. Das ist Alters-Zen.
Durch dieselbe Nacht
Es gab Themen, deren Bedeutung mir erst durch die Rückfragen bewusst wurde. Die Lobeshymne auf meine neue High-Tech-Zahnärztin mit ihrem tollen Operationsmikroskop, bei der jede, ich betone: wirklich jede! Zahnwurzelbehandlung gelang, stieß auf unerwartet starke Resonanz. Zahnwurzelbetroffene wollten Name, Adresse und Sprechzeiten der Dame wissen.
Gender, Sex und Gerechtigkeit, daraus erwächst die ewige Frage: Haben es Männer leichter als Frauen? Zu Beginn war ich voller Beschwerde über die Ungerechtigkeiten. Heute nicht mehr. Okay, „Parship“ ist auch für alte Männer noch ein Surferparadies. Aber sonst: Depressionen, Herzkasper, Knie, Bedeutungsverlust, miese Altersvorsorge – denen geht es nicht besser. Frauen haben immerhin noch ihren Friseur. Am Ende also Versöhnung. Wir schwimmen im selben Ozean, durch dieselbe Nacht. Gate gate paragate. Danke und ein herzliches Tschüss.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Erpressungs-Diplomatie
Wenn der Golf von Mexiko von der Landkarte verschwindet
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Zwei Todesopfer nach Anschlag in München
Schwer verletzte Mutter und Kind gestorben