Kolumne Pressschlag: Die Macht der Medien-Wessis
Wenn die Fans von Dynamo Dresden randalieren, ist der Aufschrei groß. Miese Schalker oder Dortmunder kommen besser weg. Warum nur?
F ür den Zweitligisten Dynamo Dresden Partei zu ergreifen ist schwierig. Am ehesten kann man das Wagnis als Wessi eingehen – wer als Ostdeutscher über ungleiche Behandlung klagt, ist dem Wessi schließlich ein „Jammer-Ossi“.
Kompliziert ist die Chose mit Dynamo, weil dessen Fans ja nicht von ungefähr ähnliche Beliebtheitswerte haben wie Gallensteine. Jahrzehntelang gehörte Rassismus in der Dynamo-Kurve zum schlechten Ton und Prügeleien zum Geschehen rund ums Stadion.
In den letzten Jahren hat sich in Dresden allerdings vieles zum Guten gewendet – auch wenn die Zahl der unsympathischen Gestalten im Fanblock nach wie vor erschreckend hoch sein mag. Die Arbeit des Fanprojekts trägt Früchte, die Offiziellen gehen die Probleme an, anstatt wie früher den Vogel Strauß zu mimen. Rassistische Gesänge im Stadion sind nicht mehr zu hören. Und selbst die örtliche Polizei betont, wie stark die Gewalt in den letzten Jahren zurückgegangen sei.
ist freier Autor und schreibt regelmäßig für das Leibesübungen-Ressort der taz.
Was sich aber nicht geändert hat, ist das überregional miserable Image. Das hat einen realen Kern, weil einige Dresdner Problemfans meinen, sich auswärts eher danebenbenehmen zu dürfen als zu Hause. Ist der Ruf erst ruiniert …
Ungeniert sind aber auch die Medienreflexe. Der MDR schreckte selbst nicht davor zurück, bei der Illustration eines „Sachsenspiegel“-Beitrags manipulierte Bilder zu benutzen. Das Foto, das einen Dynamo-Fan mit brennender Fackel zeigt, ist 2007 entstanden, nicht 2012. Und die Bengalfackel hat ihm jemand in die Hand gedrückt, der das Bildmanipulationsprogramm Photoshop beherrscht. „Nicht optimal“ sei das gewesen, sagt der Sender mittlerweile. Wer bei dieser Formulierung nicht lachen muss, hat keinen Humor.
Humorlose Zahlen
Ein paar humorlose Zahlen: Es waren 12.000 Dresdner Fans in Hannover. Dass sich ein paar Dutzend von ihnen danebenbenommen haben, wurde von allen relevanten Medien zumindest vermeldet. Dass die Hannoveraner Fans ebenfalls den Eingangsbereich stürmten, dass sie weit mehr Pyros zündeten als die Sachsen, war hingegen kaum eine Erwähnung wert.
In Hannover gab es 15 Ingewahrsamnahmen. Beim Ruhrgebietsduell Dortmund – Schalke gab es derer 300. Die Zahl der Gästefans war in beiden Fällen gleich hoch. Aber in jeder westdeutschen Redaktion gibt es Schalke- oder BVB-Fans, die revoltieren würden, wenn eine Meldung ins Blatt gehoben würde, die eine Fanszene pauschal kriminalisiert. Man war eben schon selbst in der jeweiligen Kurve. Und weiß es besser. Über Dynamo wissen Wessis nicht viel. Auch Medien-Wessis nicht.
Nur Sonntagsredner und andere berufsmäßige Heuchler behaupten, dass sich die beiden deutschen Landesteile nicht mehr von Grund auf fremd seien. Weshalb auch 23 Jahre nach dem Mauerfall festzustellen bleibt, dass Ostdeutschland in der bundesrepublikanischen Wirklichkeit keine ernsthafte Lobby hat. Weder im Fußball noch in der Politik. Zweierlei Maß? Natürlich. Fußball ist ein Spiegelbild der Gesellschaft.
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