Kolumne Press-Schlag: Versuchsballons am Himmel
Schleimoffensive im Kampf um die Bundesliga-Rechte. Einstige ARD-Granden sollen Leo Kirchs fragwürdiges TV-Konzept mit höheren Weihen ausstatten
Fernsehfußball wird ab 2009 ganz anders. Zumindest dann, wenn die Pläne von Leo Kirch und Liga aufgehen. Dann rollt der Ball über mehrere Tage und zerstückelt auf vielen Sendern, es gibt keine Exklusivrechte mehr fürs Pay-TV und zumindest im Bezahlfernsehen laufen nur Bilder von Ligas Gnaden - gedreht von einer gemeinsamen Kirch/DFL-Produktionsfirma.
Wenn, ja wenn. Das Kartellamt ermittelt jedenfalls wegen des geplanten Beitrag-Monopols. Und Premiere wehrt sich gegen den Zwang, fertig produzierte Bilder zu übernehmen und so journalistisch hinter die Free-TV-Sender zurückzufallen, die in ihren Sendungen weiterhin redaktionell eigenständig arbeiten dürfen.
Kein Problem, denkt man sich offenbar bei der KF 15 GmbH & Co. KG, diesem Wunderding im Besitz von Kirch und seinem Intimus Dieter Hahn - und lanciert die Idee eines "Programmbeirats". Der soll über die journalistische Verträglichkeit eines TV-Angebots wachen, dessen Produzent zu 49 Prozent der Liga selbst gehört. Einer Liga, die zuletzt eher weniger aufgeschlossen war gegenüber kritischer Berichterstattung über sich und ihr Markenprodukt Fußball.
Wunsch-Ballwächter sind auch schon durchgesickert - und zeigen, wie ernst es Kirch & Co. ist: Ausgerechnet die ehemaligen ARD-Intendanten Fritz Pleitgen (WDR) und Jobst Plog (NDR) sehen sich ins Gespräch gebracht. Zwei emeritierte Granden der ARD sollen mal eben locker darüber hinwegsehen, dass ein Kernpunkt der Kirch-Strategie mal wieder die Verhinderung der "Sportschau" um 18.30 Uhr ist. Und dem alten TV-Rechte-Schlachtross dafür noch als Feigenblatt für publizistisch mehr als fragwürdige Knebelangebote dienen. Da kann man ja nur noch empfehlen, den alten Sportsfreund und SPD-Vorsitzenden Kurt Beck, der sich auf politischer Ebene um die "Sportschau" sorgt, gleich mit in diesen Senioren-Kader zu berufen. Ob die drei da mitspielen werden? Die Antwort dürfte klar sein: nie im Leben.
Eine Abfuhr haben sich Kirch und Hahn bereits für ihren Anfang der Woche gestarteten Versuchsballon geholt, die Free-TV-Sender mit Live-Rechten an zwölf samstäglichen Spitzenspielen zu beglücken, die erst um 20.15 Uhr angepfiffen werden sollen. "Der Samstag ist ab 20 Uhr ein Problemtag für Live-Fußball", konterte ARD-Programmdirektor Günter Struve - und es gehörte noch zu seinen netteren Äußerungen. Eines ist jedenfalls klar: ARD und ZDF können wegen des Werbeverbots nach 20 Uhr für Öffentlich-Rechtliche de facto nicht mitbieten. Und selbst was RTL wie Sat.1 für den Sendeplatz am Ausgehtag Nummer eins zu bieten bereit sind, dürfte Kirch kaum die fehlende Kohle zur halben Milliarde Euro in die Kassen spülen, die er der Liga pro Saison garantiert.
RTL scheint international ohnehin ganz andere Wege beschreiten zu wollen: Der Senderverbund hat bereits über die TV-Rechte des albanischen Fußballverbandes verhandelt.
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