Kolumne Ökosex: Wenn nicht jetzt, wann dann?
Wer von der Wahl und der Atompolitik enttäuscht ist. sollte seine Gefühle jetzt rauslassen.
D ie Blätter schweben, die Tauben scheißen und der Regen trommelt auf meine thermischen Solarkollektoren. Und auf die Module ebenso. Module im Nebel. Oder im Niebel. Klingt reichlich depressiv und wäre ein guter Romantitel. Ökosex, heute als Muntermacher in vordergründig schwerer Zeit. Peptalk für verzweifelte Ökoseelen. Schlechte Laune ist das Letzte, was wir Freunde des Ökosexes jetzt brauchen können.
Jetzt bloß keinen Atom- und Klimablues. Okay, die Amerikaner haben noch kein Angebot gemacht für Post-Kioto. Die Chinesen bleiben unkonkret. Ja, es waren in Maastricht sieben Tage ohne Sonne und im Haus wird die solare Wärme knapp.
Gut, der Ausgang der Wahl in Deutschland war nicht optimal. Wir werden Energie freimachen müssen. Energie in Sachen Atom. Am besten mit Poesie: Wer jetzt noch keine Fotovoltaikanlage hat, der baue eine. Wer jetzt noch kein Dach sein Eigen nennt, der miete eins. Wer jetzt noch kein Geld hat, der nehme einen Kredit bei der KfW. Und wer jetzt noch immer mit einem Atomfernseher Guido Westerwelle guckt, der kündige. Wenn nicht jetzt, wann dann? Enttäuschte Gegner der Atomenergie, lasst eure Gefühle raus. Seid produktiv kindisch! Womit kann man der neuen Regierung und den Konzernen eins auswischen? Mit selbstgemachtem Eigenstrom, der Markanteile nimmt. Das ist gut für den Gefühlshaushalt und besser als ein Magengeschwür.
Martin Unfried, Jahrgang 1966, arbeitet als Experte für europäische Umweltpolitik in Maastricht. Er liebt die solare Effizienzrevolution, kauft sich hemmungslos Klimaschutzprodukte und will damit bis 2012 raus sein aus der fossilen Welt. Er singt auch bei Ökosex, der ersten Kolumnenband der Welt.
Natürlich wollen die Atomkonzerne jetzt Cash sehen in Sachen Atom. Prima, wie wäre es mit einem Ökosex-Referendum der Zivilgesellschaft? Ich weiß, ich wiederhole mich. Aber ich verstehe immer noch nicht, warum die Umweltverbände nicht zügig ein solches Bundesatomreferendum organisieren. Mit Wahllokalen und allem Pipapo. On- und off-line. Diese ganzen Twitterjohnnies können doch angeblich Millionen Leute in wenigen Tagen erreichen. So eine Art Flashmob.
Am 15. November zum Beispiel. Das könnte unser Wahlsonntag sein. Wir richten in ganz Deutschland, in Stadt und Land, lustige Wahllokale ein mit coolen Kabinen, mit Musik, Schnittchen und und allem Drumherum. Direkte Demokratie eben. Und dann haben die Leute in der Kabine die Wahl und können ihr Kreuz bei Atomkonzernen machen oder bei duften atomstromfreien Unternehmen. Das wäre beides: die originellste dezentrale Demo des 21. Jahrhunderts. Und ein aktiver Akt des Marktbürgers.
Denn die Kündigungen würden am Montag, den 16. November, bei den Konzernen eingehen. Das ist gelebte Wirtschaftsdemokratie in der atomaren Marktwirtschaft. Schon die Vorbereitung und Ankündigung des Referendums wäre ein Heidenspaß. Während am atomfreundlichen Koalitionsvertrag gebastelt wird, basteln wir an der Massenkündigung.
"Die Atomenergie in ihrem Lauf / hält weder Ochs noch Esel auf." Und wenn die Kunden abhandenkommen? Wir sind watt Volt. Übrigens habe ich das Programm der FDP nochmals in aller Ruhe nachgelesen. Da habe ich festgestellt, wie weit entfernt die von meinen Sorgen, also den Sorgen des kleinen Mannes sind (1,74 Meter). Die FDP ist doch tatsächlich gegen das Verbot von Glühbirnen. Ich habe gar keine Glühbirnen.
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