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Kolumne ÖkosexEin Herz fürs Solarwunder

Kolumne
von Martin Unfried

Appell an die Energiewissenschaftler: Unüberlegte Gefühlskälte und Antiphotovoltaikkommunikation gefährden die Energiewende.

F rüher war alles schlechter", sage ich immer zu meinen Kindern. "Im Winter gab es keinen Schnee, die Fahrräder hatten noch keine gescheite Schaltung und Handys waren noch gar kein Menschenrecht." Die Kinder rufen dann immer: "Ist ja irre! So hätten wir nicht leben wollen!" Dann erzähle ich, wie ich mit einer lausigen Sachs-Dreigang durch den Dezemberregen radelte, ohne erreichbar zu sein! Meine Kinder dagegen können heuer mit einer edlen Kettenschaltung durch den Maastrichter Pulverschnee pflügen.

Anderes Beispiel: In meiner Jugend gab es in Deutschland gar keine Photovoltaik und Windenergie, sondern nur Kohle und Atom. Das war schrecklich. Ich wollte das ändern, aber wir waren ja so naiv. Als junger Mann war ich 1995 auf der Berliner Klimakonferenz. Da glaubten wir sogar noch an den Segen internationaler Verhandlungen.

"So blöd kann man ja gar nicht sein!", sagen dann meine Kinder. Doch, antworte ich, es war damals noch Mainstream, zu glauben, es gehe um Kosten und nicht um Innovation. Heute ist das natürlich angenehmer: Wir reduzierten zu Hause die Beschäftigung mit Cancún auf das Nötigste, hörten lieber unsere Lena-CD und blätterten in Photovoltaikkatalogen.

Bild: taz

Martin Unfried ist Autor der taz.

Es wird nämlich Zeit, wieder zu bauen. Heute gibt es ja die Module bei Tchibo zum Schnäppchenpreis. Noch vor zehn Jahren haben viele den Energiewissenschaftlern geglaubt, die berechneten, dass die Photovoltaik in Deutschland niemals was reißen könne. Weil die Sonne ja nicht so oft scheine. Weil die Module so teuer seien. Weil es eben nicht gehe. Und was feiern wir im Jahr 2010? Den Durchbruch der MassenPhotovoltaik.

Und wo brach die wichtigste globale Technologie der nächsten hundert Jahre durch? In Amerika? Im Süden? In China? Nein, in Solardeutschland, wo ein stolzes Volk das Wunder möglich gemacht hat: eine Installation von 9,5 Gigawatt PV in einem Jahr. Das ist das größte energiepolitische Großprojekt der letzten Dekaden. Das heißt, an einem schönen Tag in Deutschland wird die Leistung von zehn Atomkraftwerken ins Netz eingespeist. Dass heißt, der Weg zum schnellen Umbau der Energiewirtschaft ist offen. Das heißt, Weihnachten und Neujahr sollte Deutschland angemessen im Zeichen der Solarrevolution feiern.

Leider fehlt genau dafür das Bewusstsein. Und jetzt haben auch noch mir sehr sympathische Energiewissenschaftler, also meine Freunde, einen Appell an Bundestagsabgeordnete geschrieben. Sie sind für Erneuerbare, und deshalb lautet kurz zusammengefasst ihr Rat: Photovoltaikwachstum bremsen und zwar gewaltig.

Sie haben Angst, dass uns das EEG politisch wegen der Kosten um die Ohren fliegt. Ihre Argumente geschenkt, die sind diskutabel. Schlimm allerdings ist die Message, die in den Medien hängen bleibt: Demnach ist das deutsche Solarwunder eine Katastrophe, wird der historische Durchbruch zum kleinkarierten Kostenproblem.

Mein Appell an diese sympathischen Energiewissenschaftler: Auch Herzensbildung ist eine energiepolitische Kategorie, aber die ist Euch unbekannt. PV-Gefühlskälte gefährdet massiv die solare Effizienzrevolution.

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5 Kommentare

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  • S
    Sonne

    @Horst: Ohne Speicher ersetzt PV kein einziges Kraftwerk, lediglich der Primärenergieverbrauch sinkt, die Investitionen und die Betriebskosten für Schattenkraftwerke oder (bisher nicht wirklich brauchbare) Speicher fallen trotzdem an.

     

    Und die Stromerzeugung stellt lediglich einen Bruchteil des Energieverbrauchs in der EU.

     

    Diese Rechnerei mit TWh/Jahr oder Peakleistung verzerrt das Bild enorm.

  • P
    Petra

    Energie-Artikel in der taz sind ein nie endender Born reinster, unverfälschter Erheiterung, sozusagen ein ewiger Karneval der kompletten "ökologischen" Verblendung! Der heutige Kommentar des Öko-Erotikers ("Ökosex"!) ist ganz besonders begeisternd: Die in diesem Jahr installierten 9.500 MW PV können an schönen Tagen 10 AKW ersetzen, jubiliert der Autor. Und das schreibt er an einem 20. Dezember mit minus 12° Außentemperatur, an dem die GESAMTEN PV-Anlagen in Deutschland ZUSAMMEN zur SOLAR-SPITZENLEISTUNGSZEIT mit 285 MW Leistung (in Worten: zweihundertfünfundachtzig!) am Netz sind – bei einer Last von >60.000 MW! Man könnte weinen vor Lachen! Und darf sich freuen, daß noch genügend thermische Kraftwerke am Netz sind - sonst könnten die Kinder des Autors noch nicht mal ihre Handys in der kalten Wohnung aufladen!

     

    In Deutschland sind derzeit ca. 15.000 MW PV installiert. Zwischen 12:00 und 13:00 am 20.12. haben sie mikroskopische 285 MW ans Netz gebracht – davor und danach NOCH weniger, nachts Null. Wenn wir an diesem eiskalten 20. Dezember um 12:00 auf eine PV-Leistung von 10 AKW = 10.000 MW kommen wollen, müssen wir zunächst den hochkomplexen Dreisatz beherrschen: Wenn die bejubelten installierten 15.000 MW mit den satten 285 MW am Netz sind – wieviel müßten wir installiert haben, um zu diesem Zeitpunkt 10.000 MW am Netz zu haben? Ganz einfach - nur noch 525.000 MW mehr PV sind zu installieren – und schon klappt das mit den 10.000 MW!

     

    Zum Weinen schön, diese EE-Erotiker!

  • GG
    Gabriele Gredig

    War vor kurzem bei einem Vortrag in der Urania und habe über Photovoltaik gehört.

    Da kam mir so der Gedanke, dass die AKW- Industrie Angst hat. Denn wenn die positiven Erkenntnisse der Photovoltaik, viel Strom und extrem niedrige Umweltbelastung eintreten und sich durchsetzen ,was dann mit den AKW- Betreibern?

  • H
    horst

    wenn sie energiewissenschaftler als freunde haben - warum haben sie sich bei denen nicht gescheit informiert, bevor sie diesen kommentar schreiben?

    die 9,5 GW photovoltaik mögen bei mittagssonne die leistung von 10 kernkraftwerken liefern - aufs jahr gesehen jedoch wird nur die energiemenge bereitgestellt, die einem kernkraftwerk entspricht! photovoltaik ist einfach noch sehr teuer! und auch wenn es einen massenmarkt gibt, bedeutet das nicht, daß das ganze wirtschaftlich ist! es funktioniert halt durch das EEG, das eine erhöhte vergütung garantiert! wichtig wäre, die funktionsweise des EEG zu erläutern - eben daß ein markt für die noch unprofitable technik geschaffen werden soll - und damit die weiterentwicklung der technik hinsichtlich wirkungsgrad, fertigungskosten, etc.. und erst wenn die technik marktreif ist, sollten massenmärkte entstehen.

    oder um es anschaulicher zu sagen: das geld, was letztes jahr in den ausbau der photovoltaik geflossen ist, hätte im windenergiebereich für rund das 4-fache an erzeugter energie genutzt werden können - also 4 statt nur 1 kernkraftwerk ersetzen können!

  • S
    Sonne

    > Das heißt, an einem schönen Tag in Deutschland wird die

    > Leistung von zehn Atomkraftwerken ins Netz eingespeist.

     

    Bitte nicht vergessen das die Sonne nicht den ganzen Tag scheint, und das es sich um Peak (Spitzenleistung) handelt.

     

    Wer nachschauen möchte was gerade produziert wird:

    http://www.transparency.eex.com/de/daten_uebertragungsnetzbetreiber/stromerzeugung/tatsaechliche-produktion-solar

     

    Achtung: Der Blick auf den tatsächlichen produzierten Strom kann ziemlich ernüchternd sein.

     

    Und bitte, liebe TAZ, dieser rosarote Blick auf EE schadet den EE.