Kolumne Nebensachen aus Sydney: Warum Australier Kängurus essen sollten

Laut einer Studie sind die Kängurus viel umweltfreundlicher als Rinder und Schafe.

Sie sind ja nett anzusehen, die Schafe und die Rinder, die das Landschaftsbild weiter Teile Australiens prägen. Doch ohne es zu wissen, gehören sie zu den schlimmsten Umweltverschmutzern auf dem fünften Kontinent. Eingeführt von den ersten weißen Siedlern vor über 200 Jahren, haben die Nutztiere mit ihren harten Hufen ganze Landstriche zerstört. Doch Erosion ist nicht das einzige Problem. Die Wiederkäuer geben beim Verdauen von Pflanzen große Mengen Methangas ab. Massive elf Prozent der umweltschädigenden Gase, die Australien in die Atmosphäre pumpt, stammen aus dem Verdauungssystem von Schafen und Rindern.

Jetzt haben Forscher an der University of New South Wales in Sydney eine Alternative zum Rinderfilet vorgeschlagen. Statt die zerstörerischen Vierbeiner zu essen, sollten sich Australier auf das Tier konzentrieren, das der zerbrechlichen Umwelt dieses Kontinents geradezu ideal angepasst ist: das Känguru. Dr. George Wilson schlägt vor, die Zahl der Kängurus von landesweit etwa 34 Millionen auf 175 Millionen anwachsen zu lassen. Dafür solle die Zahl der Rinder um 70 Prozent reduziert werden. Kängurus seien mit ihren weichen Füßen nicht nur sanfter zum empfindlichen Boden, sagt der Wissenschaftler. Da sie keine Wiederkäuer sind, würden sie auch kaum Methangas produzieren. So könnte dieser Wechsel den Australiern pro Jahr ganze 16 Megatonnen Treibhausgase sparen. Das sind drei Prozent des gesamten Ausstoßes. Kommt dazu, dass Kängurufleisch um einiges gesünder ist als Rind oder Lamm.

Dass die Bauern jetzt aber rasch auf das "grüne Fleisch" umsatteln werden, ist nicht anzunehmen. Denn es fehlt der wirtschaftliche Druck. Zwar wird die Regierung von Premierminister Kevin Rudd in den nächsten Jahren ein Emissionshandelssystem einführen. Die Landwirtschaft aber hat es geschafft, als eine von wenigen Industrien nicht zur Kasse gebeten zu werden für ihre Abgase. Wie in anderen Ländern sind Bauern auch in Australien politisch sehr einflussreich.

Widerstand dürfte es auch von anderer Seite her geben. Tierschützer laufen schon seit Jahren Amok, wenn es um die Frage der Nutzung des australischen Nationaltiers geht. Der Mythos, die Beuteltiere seien am Aussterben, hält sich auf den Webseiten der Tierliebhaber so hartnäckig wie eine Fieberblase an einer Unterlippe. Dabei stimmt das Gegenteil. Die von lizenzierten Jägern geschossenen Känguruarten gibt es im Überfluss. Der Grund: Mit der Landwirtschaft kam vor 200 Jahren auch Wasser - im Überfluss. Wo früher in einer Phase der Trockenheit auch wirklich Trockenheit herrschte, gibt es heute künstliche Seen und Weiher. Für die Kängurus, die seit Jahrtausenden ihre Fruchtbarkeit nach der Verfügbarkeit des kostbaren Nasses regulieren, bedeutet dies rund ums Jahr unnatürliche Quellen von Wasser. Auch das zweite Argument der Tierschützer ist rissig. Die Jagd auf Kängurus, wenn nach Vorschrift und durch speziell ausgebildete Schützen durchgeführt, sei Tierquälerei. Australische Kängurus werden direkt ihn ihrer Umwelt geschossen - ohne vorherigen Transport, aus der Distanz, mit Hirnschuss. Der Tod ist augenblicklich. Und um einiges humaner als das Ende eines über tausende Kilometer gekarrten und im Schlachthof nur halb betäubten Stiers, dem bei lebendigem Leib die Haut abgezogen wird.

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