Kolumne Kulturbeutel: Großes Korbjägerkino aus der Kleinstadt
Hagen ist ein trauriger Sportort, aber er fasziniert Filmemacher. Mit "Phoenix in der Asche" kommt schon der zweite dort gedrehte Basketballfilm ins Kino - und der ist nicht schlecht.
V inz ist 2009 mit Hagen in die erste Liga aufgestiegen. Er, der milchgesichtige Abiturient, war der Topscorer seines Basketballteams. Nun sollte er sich entscheiden: Basketball oder normales Leben.
Sein Bruder setzt ihn unter Druck. "Du stehst vor der größten Chance deines Lebens", sagt er. Vinz könnte in der Bundesliga bei einem der großen Teams, in Berlin zum Beispiel, eine Karriere als Basketballprofi starten. Eins steht fest - aus Hagen will er unbedingt weg.
Wer Wolfgang Groos Spielfilm "Hangtime - kein leichtes Spiel", der vor zwei Jahren in den Kinos lief, gesehen hat, wird das verstehen. Da ist Hagen eine schreckliche Stadt, ein einziges Ghetto, in dem "saublöde Alis" rumlaufen, vor denen man sich fürchten soll. Eine gute Kulisse für ein arg gewollt rührseliges Klischee-Drama. Einer der Produzenten ist Sommermärchen- und Bern-Wunder-Regisseur Sönke Wortmann. Man sieht es.
ist Sportredakteur der taz.
Jetzt gibt es schon wieder einen Basketballfilm aus Hagen. Der Dokumentarfilm "Phoenix in der Asche" ist in der vergangenen Woche in ausgewählten Kinos angelaufen. Regisseur Jens Pfeifer hat das Bundesligateam von Phoenix Hagen eine Saison lang begleitet. Der Klub war 2009 in die Bundesliga aufgestiegen und hatte nur ein Ziel: den Klassenerhalt.
"Für das hier müssten sie uns viel mehr Geld zahlen"
Schwere Kost für einen Dokumentarfilm, der unterhalten will. Doch die Umstände meinen es gut mit dem Filmemacher. Phoenix Hagen steht zu Saisonbeginn ohne Halle da. Ein Tenniscenter muss den Vorschriften der Liga gemäß zur 3.000-Zuschauer-Arena umgebaut werden.
Zugig ist es da drin und nicht nur im Winter saukalt. Wer die Bilder von frierenden Profis sieht, die nach dem Training mit Handschuhen bei der Teambesprechung sitzen, der fragt sich schnell, ob es wirklich ein Traum ist, Basketballprofi in der Bundesliga zu sein. "Für das hier müssten sie uns viel mehr Geld zahlen", sagt ein US-Profi, der im dicken Anorak auf den Trainingsbeginn wartet.
Auch die Fahrten der großen Männer im engen Mannschaftsbus zu den Spielorten sind alles andere als Werbung für den Beruf des Profibasketballers. Und dauernd regnet es in Hagen. Als ob der Abstiegskampf an sich nicht schon traurig genug wäre.
Und dann hat der Verein dem Regisseur noch ein besonderes Geschenk gemacht. Als es sportlich gar nicht laufen will, verpflichtet Phoenix Hagen Michael Hakim Jordan, einen Spielmacher, der mit Köln mal Meister war und ein geschmeidiges Händchen hat.
Kabinenfeier mit Mineralwasser
Ein arroganter Pinsel kommt in die verunsicherte Truppe, mischt die Mannschaft mit seien Sprüchen auf, bringt Schwung in den Laden und ist doch ein egoistisches Arschloch, der sich in einer Tour bei den Trainern darüber beschwert, dass ihm Shooting Guard Chase Griffin nie den Ball gibt.
Nach einer knappen Niederklage im vorletzten Ligaspiel droht er Griffin Schläge an. Der traut sich nicht mal mehr zum Duschen in die Kabine. Ein wahrer Höhepunkt im Film, in dem alles irgendwie novembergrau daherkommt - sogar die Kabinenfeier nach dem erfolgreichen Klassenerhalt: Trainer Ingo Freyer wird mit Mineralwasser (!) übergossen.
Der werkelt auch in dieser Saison weiter in Hagen gegen den Abstieg. Die Spieler müssen wenigstens nicht mehr frieren. Sie trainieren und spielen seit gut einem Jahr wieder in der runderneuerten Ischelandhalle, jenem Ort, an dem Hagens Basketball seine größten Erfolge gefeiert hat. 1974 war man sogar Meister. Ein derartiger Erfolg ist in schon lange nicht mehr denkbar. Zwei Mal innerhalb von drei Jahren als Korbjägermetropole ins Kino zu kommen, ist aber auch nicht schlecht.
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