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Kolumne Kopenhagen-ProtokollVirtuelle Weltversammlung

Kolumne
von Claus Leggewie

Die virtuelle Weltversammlung Kopenhagen erhebt das Weltbürgertum zum "dritten Stand". Was fehlt, ist die Weltregierung, das andere Unding der Realpolitik.

W eltbürger galten immer als die Spinner im realpolitischen Geschäft der Weltpolitik, deren Währung nationalstaatliche Interessen waren. "Ich habe deutsche Interessen zu verkünden", lautet das Credo des neuen Außenministers, passende Belegstellen findet er in Grundsatzreden seiner Vorgänger von Steinmeier bis Adenauer. Wer darüber kosmopolitisch hinaus, also von nationaler Volkssouveränität auf globale Menschheitsinteressen umschalten wollte, galt Professionellen stets als gefährlicher Visionär. Für Helmut Schmidt gehörte er zum Arzt, und laut Carl Schmitt will betrügen, wer "Menschheit" sagt.

Der Begriff der Weltöffentlichkeit war für eine publizistische Elite reserviert, die sich über den Lauf der Welt Gedanken machte und diese mit ernster Miene beim Internationalen Frühschoppen vortrug. Weltöffentlich war vor allem eine Bewährungsinstanz dafür, wie weit "nationale Interessen" vertretbar und durchsetzbar waren. Ob man sich im Golfkrieg raushalten durfte und am Hindukusch deutsche Freiheit verteidigen musste, zum Beispiel.

Die Weltbevölkerung nahm an dieser Bewertung in der Regel nicht teil, und wenn, musste sie auf die Straße gehen und wurde dann tendenziell zum Mob. Das änderte sich mit der Globalisierung, aber zunächst nur "objektiv".

Neue Kommunikationstechnologien erlauben Gespräche über alles mit jedem, aber man ist von globalen Prozessen und Problemen erst einmal betroffen und chattet sich das von der Seele. Wirklich global agieren Unternehmen, die Wissenschaftsexzellenz, die Medienprominenz, das Fußvolk reagiert darauf mit medialem Rauschen.

Bild: dpa

Claus Legewie ist Politikwissenschaftler und Autor von "Das Ende der Welt, wie wir sie kannten".

Ein Ersatzschauplatz war die Weltkultur von Bono über documenta bis Barenboim, die sich an der Vielfalt von Herkünften und edlen Motiven berauscht, als sei das schon ein Verdienst.

Der Weltklimagipfel zeigt nun, in seinem unsäglichen Chaos, wie eine transnationale Weltöffentlichkeit real existiert.

Das Weltklima ist ein Weltkollektivgut par excellence, auf das man - anders als Erdbeben und Aufstände, Bankenkrisen und Bürgerkriege - nicht mehr regional eingehen kann. Die Verschlingung lokaler Ursachen und globaler Wirkungen ist unauflöslich.

Und die virtuelle Weltversammlung Kopenhagen reagiert darauf mit der Erhebung des Weltbürgertums als "dritter Stand" und seiner Konstitution als wirklicher Akteur, der sich seiner Macht allmählich bewusst wird. Was fehlt, ist die Weltregierung, das andere Unding der Realpolitik.

Es bleiben jetzt noch lediglich zwei Tage, um sie zu formen, einen Zipfel demokratische Legitimation finden die Staatchefs schon vor.

Und sie wollen es doch auch.

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