piwik no script img

Kolumne KlatschKutteln für Buford

In zwei Wochen kommt der New Yorker Autor Bill Buford nach Kirchentellinsfurt und ich scheiß mir fast in die Hosen.

Bild: privat

Philipp Maußhardt (49) ist Mitglied der Reportage-Agentur "Zeitenspiegel" und hat große Angst davor, seine Leser zu langweilen oder einzuschläfern. Darum klatscht er beim Schreiben oftmals laut in die Hände in der Hoffnung, dass sie es beim Lesen hören.

Den Namen Bill Buford hörte ich zum ersten Mal an Weihnachten, als eine Freundin erzählte, der New Yorker Autor käme nach Deutschland, um sein neues Buch vorzustellen. Ein Buch über seine Erfahrungen als "Küchensklave". Buford hatte sein Bürojackett als Journalist für mehr als ein Jahr an die Garderobe gehängt und es gegen die Küchenschürze in einem der besten Restaurants von Manhattan eingetauscht. "Scheiße", sagte ich zu mir, "der hat das gemacht, was du immer machen wolltest und dich bislang nicht getraut hast." Zwar hatte ich auch schon einmal im Küchendampf eines Edelrestaurants gestanden und den Köchen über die Schulter geschaut. Doch schon nach zwei Tagen, an denen ich immerhin Champignons für einen Saucenfond schneiden durfte, war mein Ausflug in diese andere Welt auch schon wieder beendet. Mir schmerzte der Rücken vom vielen Stehen und außerdem hatte ich mir in den Finger geschnitten. Aber ein ganzes Jahr?! So wie dieser Wie-hieß-er-noch-einmal Amerikaner? Der musste leicht verrückt sein, und leicht Verrückte sind mir im Gegensatz zu ganz Verrückten und ganz Normalen sehr sympathisch. "Das wäre doch ein Ding, wenn Buford nach Kirchentellinsfurt käme und ein paar Freunde und ich ihn bekochen", sagte ich zu meiner Bekannten. Und sie sagte: "Ich werde mal schauen."

Noch vierzehn Tage, und er kommt tatsächlich. Offenbar ist dieser Bill Buford noch viel verrückter, als ich vermutete. Er will sein neues Buch ohne Witz in Kirchentellinsfurt vorstellen. Einem Ort, in dem es keine einzige Buchhandlung gibt und wo in den Regalen der Gemeindebücherei Tim-und-Struppi-Bücher auch von Erwachsenen besonders gerne ausgeliehen werden. Außerdem kommt Buford nicht alleine. Es kommen noch 100 Gäste.

Ehrlich gesagt, meine Freunde und ich sind ein wenig aufgeregt. Ein Vier-Gänge-Menu in einer ehemaligen Fabrikhalle für 100 Menschen zu servieren, in der es weder eine Profi-Küchenausstattung gibt noch sonst irgendetwas im Entferntesten an ein Restaurant erinnert, ist schon alleine Grund, sich Sorgen zu machen. Dazu kommt, dass ich inzwischen das Buch von Bill Buford gelesen hatte und weiß: Der versteht verdammt viel von gutem Essen. Dem können wir keine Instant-Sauce für einen Kalbsfond vormachen. Außerdem hatte uns der Ehrgeiz gepackt, und wir überlegten in unserer Euphorie doch tatsächlich, ein ganzes Schwein an diesem Abend in der Fabrikhalle zu schlachten, zu zerlegen und zuzubereiten. Aber ich glaube, das Amt für Veterinärmedizin in Verbindung mit dem Amt für Lebensmittelsicherheit hätte da mit Sicherheit etwas dagegen gehabt.

Ich will nicht die ganzen Diskussionen wiedergeben, die wir seit Wochen nun schon über die Menüfolge führten. Es waren lange Gespräche und hitzige Debatten und wir haben uns bemüht, hinterher immer noch nett zueinander zu sein. Nur bei einem Gang, da waren wir uns einig: Buford wird Kutteln bekommen, Lammkutteln in einer dunkelbraunen Sauce. Der Einfall schien uns schon deshalb genial, weil bei 100 Menschen mindestens 50 (mein Freund Bruno meint sogar, 70) angeekelt das Gesicht verziehen. Wir werden also bei diesem Gang gar nicht für alle kochen müssen, was die Sache natürlich sehr viel einfacher macht. Denn obwohl Kutteln zum Besten gehören, was aus dem Inneren eines Tieres auf den Teller drängt, haben in Deutschland (vor allem in Norddeutschland) viele eine unerklärliche Abneigung gegen diese schlapprigen Lappen, die aus der Magenwand von Rind, Ziege oder Lamm geschnitten werden.

14 Tage sind keine lange Zeit mehr. Mit jedem Tag wächst meine Nervosität und sie wird auch dadurch nicht geringer, dass ich gerade im Kongo bin. Der Kongo ist kein Land, in dem man sich auf ein Vier-Gänge-Menu gut vorbereiten kann. Gestern lag eine halbe an der Luft getrocknete Antilope mit Kopf und Fell auf dem Markt von Kindu, und es war nicht leicht für mich, da hinzuschauen. Ob ich sie gekauft habe und übermorgen mit ins Flugzeug zurück nach Deutschland nehme? Ich verrate es nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!