piwik no script img

Kolumne In FußballlandGebt uns den modernen Fußball!

Die Kampagne, die gegen Stefan Kuntz, den Manager des VfL Bochum, gefahren wird, ist beklagenswert. Durch den Verein geht ein Riss.

Gehören Sie auch zu den Menschen, die beklagen, der moderne Fußball sei nur noch ein Geschäft, dominiert von Controllern, kaltherzig, gefühllos, nur aufs Ergebnis, auf Gewinn und Verlust bedacht? Ach, wenn es doch so wäre! Es gibt sie noch, die Leitung eines Vereins nach alter Väter Sitte. Wo nicht Vernunft und Zahlen regieren, sondern persönliche Sympathien und Abneigungen, irrationale Effekte und das Bedürfnis nach Unterwerfungsgesten.

Beim VfL Bochum vergraulen sie gerade Manager Stefan Kuntz - und keiner weiß warum. Der Verein steht gut da, hat mit dem Abstieg nichts zu tun, Trainer und Vorstand harmonieren, und immer wieder werden Spieler verpflichtet, bei denen sich größere Clubs die Augen reiben: Wie konnten wir den übersehen?

Am 13. März meldete der Kicker erstmals, es gebe Probleme bei der Vertragsverlängerung von Stefan Kuntz. Einen Tag später legt der Lokalsport der WAZ nach: In einer für diesen Verein beispiellosen Aktion hätten sich die Mitarbeiter der Geschäftsstelle versammelt und sich mit überwältigender Mehrheit für eine weitere Zusammenarbeit mit Kuntz ausgesprochen.

Nur langsam sickerten Informationen durch. Seit Monaten versucht der Aufsichtsratsvorsitzende die Kompetenzen des Vorstands in einem Ausmaß zu beschneiden, die eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr möglich machen. Und irgendwann war Schicht am Schacht.

Die Ruhr-Nachrichten und das Zentralorgan des Ruhrgebietsfußballs, der Reviersport schossen gegen Kuntz: Beinahe habe er den Transfer von Stanislaw Sestak, der uns in Bochum so viel Freude macht, vermasselt. Schon in den Achtzigern habe Kuntz den VfL als "Sprungbrett" und "Steigbügelhalter" für seine Karriere benutzt. Nun, Kuntz wurde damals für 1,2 Millionen verkauft, damit der VfL überhaupt die Lizenz für die Bundesliga bekam. Und wohin sprang er dann? Zu Bayer Uerdingen. Und ein Transfer, der "beinahe" schiefgegangen wäre? Was anderes finden sie nicht.

Und wohin will er diesmal springen? Zum abstiegsbedrohten Zweitligaverein 1.FC Kaiserslautern, mit dem Kuntz seinerzeit deutscher Meister wurde - und der erst auf Kuntz zuging, als die Probleme in Bochum schon hochgekocht waren.

Es gibt niemanden in Bochum, der Kuntz irgendein Fehlverhalten nachweisen könnte. Er hat nicht in die Kasse gegriffen und ist keiner Sekretärin an die Wäsche gegangen. (Es soll Menschen beiderlei Geschlechts im Umfeld des Vereins geben, die sich WÜNSCHEN würden, er ginge ihnen an die Wäsche!)

Hinter vorgehaltener Hand oder nach dem vierten Bier lassen Verantwortliche durchblicken, dass man hier ohne Not eine erfolgreiche Konstellation auseinander reißt. Eigentlich will das niemand. Und trotzdem passiert es. Die Angestellten der Geschäftstelle haben mit ihrer Solidaritätsbekundung für Kuntz richtig was riskiert. Das ist nicht selbstverständlich. Die mächtigen Herren im Aufsichtsrat, die nichts zu befürchten hätten außer dem Zorn des Patriarchen, halten dicht.

Und im Hintergrund lauert als Nachfolger Peter Neururer, der im Interview auf 11Freunde.de (ebenfalls 13. März!) schon mal klarmachte, dass er sich auch einen Job als Sportdirektor vorstellen könnte. Als Trainer ist er seit anderthalb Jahren arbeitslos.

Was bleibt? Eine Menge zerschlagenes Porzellan. Es geht ein Riss durch den Verein, durch die Fans. Und warum? Weil einem einzelnen Mann die ganze Richtung nicht passt - und alle anderen kuschen. Stefan Kuntz steht in der Öffentlichkeit zu gut da. Er verkörpert das Offene, das kreative Potential, das in diesem Verein steckt. Er IST nicht der Verein und behauptet das auch nicht.

Deshalb: Gebt uns endlich den modernen Fußball, wie er woanders praktiziert wird! Wo für kühle Rechner nur Ergebnisse zählen. Dann wäre Stefan Kuntz noch lange Manager beim VfL.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!