Kolumne Gott und die Welt: Recht auf den eigenen Tag
Es ist möglich, jüdischen und palästinensischen Kindern, die unter der politischen Unvernunft ihrer Eltern zu leiden haben, eine Freude zu machen.
![](https://taz.de/picture/80361/14/weihnachtsgeschichte_2.12..jpg)
D er kleine Junge, dessen Geburtstag in wenigen Wochen gefeiert werden wird, war ein jüdisches Kind, vor zweitausend Jahren von jüdischen Flüchtlingen in einem Ort geboren, der heute einem künftigen Staat Palästina zugehören soll, in Bethlehem. Gleichwohl war dieser kleine Junge kein Palästinenser – das konnte er schon deshalb nicht sein, weil die römische Provinz, in der er geboren wurde, damals „Judäa“ hieß und erst weit über hundert Jahre später von der römischen Imperialmacht, die der immerwährenden Aufstände jüdischer Nationalisten überdrüssig war, offiziell in „Palästina“ – „Land der Philister“ umbenannt wurde.
Der kleine Junge aber wurde zu einem jüdischen Wanderprediger, der sich – für die damalige Zeit eher ungewöhnlich – intensiv für Kinder einsetzte; im Evangelium des Matthäus 19,14 ist es nachzulesen: „Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solcher ist das Reich Gottes.“ Dies war der Slogan einer seiner Predigten.
Wer diesen Worten des Jesus von Nazareth in diesen vorweihnachtlichen Tagen etwas abgewinnen kann, hat durchaus die Möglichkeit, Kindern, jüdischen und palästinensischen Kindern, die heute unter der politischen Unvernunft mindestens eines Teils ihrer Eltern zu leiden haben, eine Freude zu machen.
Es geht um das vom Komitee für Grundrechte und Demokratie e. V. getragene, von Hanne und Klaus Vack initiierte und von Helga Dieter verantwortete Projekt „Ferien vom Krieg“, auf dessen Homepage Folgendes zu lesen ist:
Der herrschenden Propaganda nicht mehr trauen
„Seit 1994 verbindet die Aktion ’Ferien vom Krieg‘ humanitäre Hilfe und friedenspolitische Praxis. Sie zeigt exemplarisch, dass es in Kriegsgebieten – trotz Vorurteilen und Hass – neugierige junge Menschen gibt, die der jeweils herrschenden Propaganda nicht mehr trauen und die angeblichen Feinde von Angesicht zu Angesicht kennen lernen wollen. Über 21.000 Kinder und Jugendliche aus den Kriegsgebieten des ehemaligen Jugoslawien und über 1.600 junge Menschen aus Israel und Palästina, darunter auch Frauengruppen, haben bei Ferienfreizeiten und Dialogseminaren mit ’den Anderen‘ zwei Wochen unter einem Dach gelebt, gemeinsam gespielt, getanzt und Ausflüge gemacht. Sie haben einander zugehört, die fremde Sicht auf die Konfliktgeschichte kennengelernt und heftig gestritten – aber auch zusammen um die Opfer getrauert und geweint.“
Gewiss lässt sich nicht absehen, was die langfristigen Wirkungen derartiger Maßnahmen sind, ob und wie sie einem möglichen „Friedensprozess“ dienen können, aber darum geht es gar nicht. Es war der polnisch-jüdische Pädagoge und Kinderbuchautor Janusz Korczak, der 1942 nach dem Deportationsbefehl die ihm anvertrauten Kinder bis ins Todeslager Treblinka begleitete, der „vom Recht des Kindes auf den eigenen Tag“ sprach.
Man mag angesichts der Hunderttausenden von Toten, der unzähligen im Nahen Osten, von Syrien bis Irak leidenden Kinder fragen, warum nun ausgerechnet diese und keine anderen Projekte unterstützt werden sollen – eine Haltung, die über die Hoffnung auf politische, sogenannte strukturelle Lösungen nur zu schnell zu Zynismus und Resignation führen kann. Trotzdem: Vom Wanderprediger in augusteischer Zeit bis zum polnischen Kinderarzt und Buchautor in den dunkelsten Jahren des 20. Jahrhunderts – nimmt man beide ernst, hat man die Chance, ihren Impulsen gerecht zu werden: www.ferien-vom-krieg.de/index.php/spenden
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