Kolumne Fernsehen: Die Inszenierung der Langeweile
Anstatt politische Debatten zu erhellen, liefern amerikanische Medien immer die gleichen Wahlkampfbilder.
Bettina Gaus ist Afrika-Kennerin, Buchautorin und politische Korrespondentin der taz.
Die Inszenierung der Langeweile
Anstatt politische Debatten zu erhellen, liefern amerikanische Medien immer die gleichen Wahlkampfbilder
Wenn man sich jahrelang für Politik interessiert hat und auch noch beruflich damit beschäftigt, dann ist man für sachliche Argumente in Fernsehdiskussionen nicht mehr empfänglich. Wir professionellen Zuschauer lassen uns von nichts überzeugen. Wir wollen nur wissen, wie jemand ankommt, wie geschickt er oder sie eine Position vertritt und aus welchen taktischen Überlegungen heraus - nicht aber, worin diese Position eigentlich besteht.
Da schließt sich übrigens ein Kreis: Profibeobachter ähneln darin den Leuten, die von Politik am liebsten ganz verschont bleiben möchten. "Ich finde ihn einfach nicht sympathisch", pflegte meine Großmutter selig zu sagen, und damit war das Thema für sie auch schon erledigt.
In einem fremden Land ist das anders. Weit weg von der Heimat ist das eigene Urteil nicht so fest gefügt, und deshalb ist die Neugier größer. Eine Debatte der demokratischen US-Präsidentschaftsbewerber kurz vor den Vorwahlen im Bundesstaat Iowa kann plötzlich richtig aufregend sein - und zwar paradoxerweise nicht nur wegen der Argumente der Kandidaten. Sondern weil man einiges über sich selbst, den eigenen Berufsstand und die Kollegen lernt.
Den Kampf zwischen Hillary Clinton und Barack Obama um die Gunst der Demokraten habe ich bislang freundlich-wohlwollend, aber mit großer innerer Distanz verfolgt. Wenn am Ende John Edwards der lachende Dritte sein sollte, war mir das auch recht. Alles ist besser als George W. Bush oder der schmierige Rudy Giuliani.
Und plötzlich, allein vor dem Fernseher in einem eiskalten Motelzimmer, horche ich auf: Bill Richardson, der Gouverneur von New Mexico, sagt lauter kluge Dinge. Er hält den Einsatz für erneuerbare Energien für eine der vordringlichsten Aufgaben überhaupt. Er spricht sich gegen Folter als Verhörmethode aus - nein, das ist nicht selbstverständlich! Außerdem für die Beachtung der US-Verfassung - auch das ist nicht selbstverständlich - und für die Beachtung der Genfer Konventionen. Das ist schon gar nicht selbstverständlich. Gegen den Irakkrieg ist er auch, aber das ist kleine Münze. Das sind sie inzwischen alle.
Richardson hat nur Außenseiterchancen, aber auf der Liste meiner Favoriten schießt er plötzlich ganz nach oben. Dann google ich ein bisschen. Lerne, dass er gute Beziehungen zur Waffenlobby unterhält und ein erklärter Anhänger der Todesstrafe ist. Tiefer Absturz auf der Liste. Oder doch nicht? Wie wichtig ist das eigentlich, gemessen an der Neigung von Hillary Clinton zur Geheimniskrämerei und der mangelnden außenpolitischen Erfahrung von Barack Obama? Richardson war immerhin mal UN-Botschafter. Ich stelle fest: Nichts, nichts, nichts verstehe ich von den Seilschaften und ihrer jeweiliger Bedeutung in den USA.
Eine solche Erkenntnis ist unangenehm. Aber gewiss können da die amerikanischen Fachleute helfen. Dafür gibt es schließlich die Fernsehdiskussionen nach der Diskussion, in denen Leitartikler, Wahlforscher, Politologen einschätzen, bewerten, erklären.
Ich zappe mich so durch, von Sender zu Sender und zurück. Richardson kommt gar nicht erst vor. Einige der anderen Kandidaten auch nicht. Ebenso wenig wie die Wirtschaftspolitik, die Außenpolitik, die Innenpolitik. Stattdessen sehe ich wieder und wieder dieselbe Szene: Barack Obama reagiert schlagfertig auf einen spöttischen Einwurf von Hillary Clinton. Das ist spannend, das ist interessant. Daraus lässt sich Bedeutendes ablesen: Er hat an Statur gewonnen. Erinnert er nicht an Reagan in vergleichbarer Lage? Oder doch eher an Kennedy? Ja, darüber muss geredet werden. Darüber wird geredet. Über sonst gar nichts.
Sind wir auch so? Hoffentlich nicht. Bitte, bitte nicht. Oder etwa doch? Profikommentatoren aller politischen Lager waren sich übrigens hinterher in einem ganz und gar einig: Die Debatte zwischen den politischen Gegnern sei insgesamt sehr langweilig gewesen. Nein, war sie nicht. Jedenfalls war sie viel weniger langweilig als die Profikommentatoren.
BETTINA GAUS
FERNSEHENFragen zu US-Debatten? kolumne@taz.de Morgen: Arno Frank über Geschöpfe
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