piwik no script img

Kolumne Die Farbe LilaSteak für den Kerl, Salat für die Dame

Kolumne
von Susanne Klingner

Zwischen Leidenschaft und Selbstdisziplin: was Essen mit geschlechtlicher Selbstvergewisserung zu tun hat.

D u bist voll das Klischee", sagt Freundin P. und drückt mir ein Magazin in die Hand, dessen Titelstory Vegetarismus zum neuen großen Ding erklärt. "Da steht drin, dass 70 Prozent der Vegetarier Frauen sind."

"Schön für die Frauen", sage ich und überlege, ob ich es schlimm finden soll, einem Rollenklischee zu entsprechen. Als ich mich vor sechzehn Jahren am Familienmittagstisch das erste Mal geweigert habe, Fleisch zu essen, hatte ich keine Ahnung von übereinandergestapelten Schweinen oder dem Massenmord an männlichen Küken. Entscheidend war, schlicht und egoistisch: Mir schmeckte Fleisch nicht. Und da ich bisher noch nichts davon gehört habe, dass Geschmacksknospen genetisch und geschlechtlich festgelegt werden, bin ich sicher: Auch als 16-jähriger Junge hätte ich das Fleisch verweigert.

"Essen ist klassisches Doing Gender", sage ich zu P. "Bitte was?", fragt sie, und ich halte ihr einen kleinen Vortrag: dass wenig so von unserer Vorstellung von einer "richtigen" Frau und einem "richtigen" Mann geprägt ist wie unser Essverhalten.

Als ich das erste Mal überhaupt vom Prinzip des Doing Gender gehört hatte - nämlich der Annahme, dass wir uns durch bestimmte bewusste oder unbewusste Verhaltensweisen als männlich oder weiblich selbstbestätigen -, da war mein erster Gedanke tatsächlich gewesen: Essen. Denn wenig ist offensichtlicher und auch statistisch in beeindruckerenden Zahlen bewiesen, als dass Männer sehr viel mehr Fleisch als Frauen zu sich nehmen - und Frauen sehr viel mehr Joghurt, Obst und Salat als Männer essen.

"Okaaay", sagt P. und fängt nebenbei an, auf ihrem Handy herumzutippen. Ich referiere trotzdem weiter: "Kannst du dich an den Kochmarathon-Film ,Julie & Julia' erinnern? Da bestellen vier Frauen zum Mittagessen eine nach der anderen einen Salat - die rituelle Salatparade nennt das die Protagonistin. Ich sage: klassisches weibliches Selbstverständnis: Eine echte Frau diszipliniert sich beim Essen, bloß keine Leidenschaft zeigen. Für viele Männer gilt das genaue Gegenteil: Essen ist Leidenschaft, Fleisch ist Männlichkeit. Nicht umsonst heißt eine Kochzeitschrift für Männer BEEF! und sagt der Verlag, das Heft sei für Menschen, die kochen wollen, nämlich Männer, und nicht für Menschen, die kochen müssen, also Frauen."

"Du, ich muss gleich los", unterbricht mich Freundin P.

Bild: stephanie fuessenich

SUSANNE KLINGNER ist Mitautorin des Buches "Wir Alphamädchen" und bloggt auf mädchenmannschaft.net.

"Aber kennst du die Geschichte von dem Amerikaner, der von seinem Boss als schwul beschimpft und entlassen wurde, weil er in einem Steakhaus kein Fleisch essen wollte?"

"Was 'n Penner", sagt sie und tippt weiter auf ihrem Handy herum.

"Genau. Anscheinend brauchen manche Männer Fleisch zur Selbstvergewisserung. So wie früher: Das Familienoberhaupt kriegt das größte Stück Fleisch."

Plötzlich habe ich eine Idee: "Verbraucherministerin Ilse Aigner und unsere selbst ernannte Jungs- und Männerministerin Kristina Schröder sollten sich zusammensetzen und ein Programm ,Bin ich als Vegetarier wirklich schwul? - Wege aus der männlichen Essstörung' starten. Das könnte vielleicht das Problem des übermäßigen Fleischkonsums lösen."

P. schaut auf ihre Uhr, sagt "Scheiße, ich muss echt los", und während sie geht, schimpft sie: "Na ganz toll, jetzt habe ich Bock auf ein Steak."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • TS
    Thomas Schmidt

    Ich glaube, die Autorin will das damit sagen, was sie hier eindruckvoll und recht amüsant geschrieben hat :

     

    "Essen ist klassisches Doing Gender",..

     

    "Nicht umsonst heißt eine Kochzeitschrift für Männer BEEF! und sagt der Verlag, das Heft sei für Menschen, die kochen wollen, nämlich Männer, und nicht für Menschen, die kochen müssen, also Frauen."

     

    Erstmal kannte ich diese "Männerkochzeitschrift" noch gar nicht und außerdem wird hier ein Paradebeispiel beschrieben, wo die vermeintlichen Plätze der "richtigen Frauen" angesiedelt werden.

     

    Und der Zwang zur "richtigen Männlichkeit", der einen "Chef" dazu motiviert, einem steakverweigernden Angestellten den Job zu kündigen, zeigt mal wieder die unangenehme Facette für Männer, wenn die "richtige" Zwangsmännlichkeit für "richtige Männer" zum freiheitseinschränkendem Dogma wird.

  • L
    lustig

    was will die autorin uns eigentlich sagen?

     

    dass frauen, wenn sie dem klischee entsprechen, völlig in ordnung sind, männer hingegen nicht?

  • S
    schnellerStoffwechsel

    ? bewegt sich die autorin wenig, hat sie noch nie schweißtreibend gearbeitet?

     

    "Ich sage: klassisches weibliches Selbstverständnis: Eine echte Frau diszipliniert sich beim Essen, bloß keine Leidenschaft zeigen."

     

    nach dem schwimmen konnte ich schon als kind reinhauen, wie ein hafenarbeiter. und wenn ich menstruiere, habe ich wahre fressattacken, lustvoll genieße ich dann jeden bissen. meine erfahrung: finden männer toll, ist wie sex ohne anfassen.

     

    was sie hier völlig ausklammern: die vorstellung weiblicher schönheit als ausgehungerten vamp (seit jugendstilzeiten) - vom (sexualtrieb unterdrückenden) mann entwickelt, von der (sexualtrieb unterdrückenden) frau dankbar aufgenommen. schön blöd.