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Kolumne Das SchlaglochDie Backpacker an der Buddha-Bar

Das Begehr des Rucksacktouristen ist das Abhängen, sein erklärtes Ziel lautet: sparen.

s geht wieder los. Bald sind sie überall, in jedem Zug und auf jedem Schloss- oder Domplatz, die nackten Füße in jedem Brunnen gekühlt und jedes grüne Fleckchen zum Picknick genutzt - die Saison der Backpacker hat begonnen, und wer einst selbst die Welt mit Rucksack erkundet hat, wird sich nostalgischen Erinnerungen überlassen …

Täglich verkehrt ein Schiff zwischen Siem Riep, dem touristischen Einfallstor zu den Angkor-Wat-Ruinen, und Phnom Penh, vormals eine Hauptstadt des Massenmords, heute geschätzt wegen seiner Cafés am Mekong. Es ist ein hochmodernes Schiff, dessen Bug bei voller Geschwindigkeit aus dem Wasser ragt wie der Schnabel eines irre gewordenen Reihers. Nur Touristen können sich diese rasante Fahrt leisten, die einem die zwölfstündige Qual auf den zerfurchten Pisten Kambodschas erspart. Da jedoch die wohlhabenderen Reisenden nach Siem Riep einfliegen, benutzen ausschließlich Backpacker das Boot, jene meist jungen Reisenden, die mit viel Zeit und wenig Geld ausgestattet sind.

Beim Einstieg gibt es ein Gerangel um die besten Plätze auf dem Dach, wo man ausgestreckt, mit einer Mütze über dem Gesicht an dem Gesamtkunstwerk der eigenen Bräunung weiterarbeitet. Das Boot fliegt über den Tonle-Sap-See und rast in den Kanal hinein, der den See mit dem Mekong verbindet. Leider ist der natürliche Kanal für Rennboote nicht breit genug, sodass sich jeder Fischer, der nicht rechtzeitig an Land gepaddelt ist, an die Seiten seines Einbaums klammern muss, um nicht über Bord zu fallen.

Schon kurvt das Boot um die nächste Biegung. Die Backpacker dösen, die Stöpsel ihres Walkmans im Ohr, oder sie lesen den neusten Thriller von Wilbur Smith oder John Grisham. Wenn sie nicht gerade den "Lonely Planet"-Reiseführer studieren, der oft die Backpacker-Bibel genannt wird, aber eher einem Ratgeber von der Sorte "99 Steuertipps" ähnelt. Denn die kurzen Passagen zu Land und Leuten sind nur Feigenblätter für den entscheidenden Inhalt: allumfassende Infos zum ultimativen Spartrip. Früher wurden Baedeker-Reisende davon in Kenntnis gesetzt, dass "der Orientale" gerne feilscht. Heute müssen die Einheimischen vor den schachernden Weißen gewarnt werden.

Die Backpacker öffnen ihre Augen misstrauisch, als es zu einem unerwarteten Halt kommt, denn sie sollen laut "Lonely Planet" vor den Einheimischen (auf Englisch locals und somit das Gegenteil von globals) und ihren Tricks auf der Hut sein. Der Halt ist nötig, weil das Boot tanken muss, also versenken sich die Backpacker in Lektüre oder Schlaf. Bewegung kommt erst wieder auf, als das Schiff die Hauptstadt erreicht und sich auf einmal zwei entschlossene Kohorten gegenüberstehen. Die Rikschafahrer, Hotelagenten und Tourführer auf der einen Seite, klein gewachsene Männer mit dürren Gliedern und einem etwas verzweifelten Gesichtsausdruck, deren Abendessen davon abhängt, ob sie einen Fremden als Kunden ergattern werden. Gegenüber die leicht bekleideten Backpacker, braun gebrannt und schnorchelfit, die mit lässiger Gebärde ihre Sonnenbrille zurechtrücken und ihren Rucksack schultern. Wer nun Unsicherheit erkennen lässt, verrät sich als Anfänger auf dreiwöchigem Jahresurlaub. Die wahren Backpacker sind hingegen mindestens drei Monate lang unterwegs, und sie kennen sich aus in der Realität des überall lauernden Betrugs. Sie springen auf die Mole und wischen die vordersten Angreifer zur Seite wie lästige Moskitos. Man vernimmt erste Ausrufe des Protests: "Two dollar? You must be crazy. Half a dollar, not more!"

In ihren Stimmen schwingt eine gerechte Wut mit, denn sie kämpfen nicht nur zum Wohle ihres Geldbeutels, sie retten die Welt vor der größten aller Verderbnisse, dem Hochtreiben der Preise. Manch ein Paradies ist ruiniert, weil es unangemessen teuer geworden ist. Was angemessen ist und was nicht, hängt von dem jeweiligen Tagesbudget ab. Eine Schottin hat sich zehn Pfund vorgegeben, ein Holländer fünfzehn Euro - Beträge, mit denen man sich zu Hause nicht einmal die Haare schneiden lassen könnte. Die Ersparnisse müssen für eine ganze Weltreise reichen. Das kann einen ganz schön unter Druck setzen, weswegen Backpacker sich gelegentlich in Rage feilschen und den halben Dollar zu viel als moralische Verfehlung geißeln. Ein Großteil des Reisealltags verbringen sie damit, die günstigsten Angebote und Verbindungen auszukundschaften. Lautstark und resolut setzen sie sich an der Mole in Phnom Penh durch und besteigen zufrieden Rikschas, die sie in jene Pensionen bringen werden, die von "Lonely Planet" gelobpreist werden. Dort kann sich der Gaumen an einheimischer Kultur erfreuen, während der Blick auf einen Fernseher fixiert ist, der "Herr der Ringe" zeigt. Später am Abend schlürft man sein Bier in einem tropengerechten Korbflechtsessel zu den Klängen von "Buddha Bar", einem Remix von Fusionsongs aus aller Welt, einem kannibalistischen Eintopf, der einen mit so viel akustischem Müll vollstopft, dass man sich nach der Reinheit eines Alphornklangs sehnt.

Die viel geschmähten Hippies von einst hingen zwar auch in Kathmandu oder Lamu herum, aber unter ihnen gab es doch viele, die sich auf die Fremde einließen, die sich dem Unbekannten aussetzten, sodass es eine Chance hatte, sie zu verändern. Die heutigen Rucksacktouristen hegen selten solchen Ambitionen. Ihnen reicht die in den Traveller-Ghettos servierte gefilterte und gechlorte Fremde völlig aus. Sie unterscheiden sich immer weniger von den Pauschaltouristen, denen sie sich mit einigem Dünkel überlegen fühlen. Sie betrachten die fernen Kulturen als Lieferanten von Versatzstückchen, die etwas Farbe in ihre behagliche und abgesicherte Existenz bringen können. Der Weg, den sie dabei beschreiten, führt in die Uniformität. Backpacker sehen alle gleich aus, je nach Aufenthaltsland gehüllt in einen Sarong, einen Lungi, eine Kurta oder in die bunte Posthippieuniform, die man an Tankstellen der Backpacker-Autobahn wie etwa Goa oder Chiang Mai billig erwerben kann. Dazu legt man ein wenig Ethnoschmuck an und merkt sich einige Phrasen Thai oder Hindi, gerade so viel, dass man die Lingua franca der Backpackergilde beherrscht (der souveräne Umgang mit geografischen Namen und Währungen gehört ebenfalls dazu), nicht aber genug, um die Einheimischen zu verstehen. Derart gerüstet, versammeln sich die Backpacker zur nächsten Full Moon Rave Party und zelebrieren jene Trance- und Drogenrituale, die sie von den Pauschaltouristen unterscheiden. Letztendlich spiegeln beide Gruppen die selbstbezogene und ausbeuterische Einstellung der westlichen Zentren, aus denen sie meist stammen, zur großen weiten Welt. Von der Weisheit der Mauren, nur wer reise, kenne den Wert des Menschen, sind sie unerreichbar weit entfernt.

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