piwik no script img

Kolumne BlickeNazis, Moschee, Paranoia

Ambros Waibel
Kolumne
von Ambros Waibel

Teil 2: Die jüngsten Taten der Salafisten erinnern merkwürdigerweise an Ernst Jüngers Stoßtrupperlebnisse.

A ch, es gäbe hübsche Themen! Die Neuköllner „Maientage“ etwa: wie ich, obwohl seit beinah 40 Jahren Wiesn-geübt, von 26 Schuss (=10 €) die ersten sechs in die Wand setze – zum Glück trifft der Sohn dann die Sterne.

Und der müd-freundliche Blick der stahlgewittergebräunten Blondine, die nur ganz langsam die Geduld verliert, als die Kleinen sich nicht auf den zu wählenden Preis einigen können. Obwohl sie alle Zeit der Welt hat, denn der Rummel ist so friedlich wie die Westfront 1914–1918 an Weihnachten.

Sie ahnen es, ich werde hier und heute zu Ende bringen, was ich vor zwei Wochen ankündigte. In der Reihe „Werke und Korrespondenzen: Ernst Jünger im Dialog“ des Belleville Verlags ist gerade Nr. 11 erschienen, mit – neben literaturwissenschaftlicher Dutzendware (brauchen wir nicht eigentlich mehr Ingenieure? Und so?) – einem spannenden Beitrag: „Sie begann mit ’sehr verehrter‘ und schloß mit ’mein lieber …‘ ab. Die Korrespondenz zwischen Ernst Jünger und Ernst von Salomon“.

Alexander Janetzko
Ambros Waibel

ist tazzwei- und Meinungsredakteur der taz.

Klären wir zunächst das Grundsätzliche: Sowohl Jünger als von Salomon sind keine Autoren, die einen bedeutend klüger, schöner und heiterer machten. Dennoch gibt es von beiden jeweils ein Buch, das man durchgesehen haben sollte – zum Ganzlesen sind sie zu langweilig. Bei Jünger ist das „In Stahlgewittern“, die Erstfassung, bitte. Salomons Bestseller heißt „Der Fragebogen“. Die beiden korrespondierten Anfang der 1930er und nahmen den Briefwechsel dann erst nach dem Krieg wieder auf. Was daran liegen mag, dass Salomon in den beiden abgedruckten Vorkriegsbriefen Sätze schreibt wie: „Ich habe die ganze Zeit zweimal eine deutsche Zeitung gelesen und nicht eine Wort mit einem Juden gesprochen, kurz, ich habe mich blendend erholt.“ (1931) Da ging Jünger nicht mit. Aber widersprechen wollte er auch nicht. Er hat ja auch Hitler nicht widersprochen, fürs KZ war er dann doch zu feige.

Jünger mochte Salomons Buch „Die Geächteten“, in dem der Ich-Erzähler unter anderem seine Beteiligung am Attentat auf Walter Rathenau verarbeitete. Dafür – für das Attentat, nicht das Buch – fuhr er fünf Jahre ein.

„Das Attentat ist eins der besten Zeichen für die Schärfe des [deutschen, gestrichen] Instinkts, der den Fundamenten so nahe ist, daß ihn begründen zu wollen, nur eine Schwächung der Fundamente bedeuten kann.“ Einen solchen Jünger-Satz lesen und an die NSU denken – muss man da so sensibel sein wie ich? Glaube ich nicht.

Seit Beginn der 1990er Jahre und letztlich – das wissen die Ostler besser – schon zu DDR-Zeiten konnte jedem klar sein, dass sich jenseits der Elbe ein militanter Naziuntergrund bildete; und – da kommen wir zu Jünger – der Bezug nahm auf nationalrevolutionäre und nazistische, je nun, „Theorie“. Die herrschende Politk wollte vereinigungsbesoffen davon nichts wissen. Und die Polizei tat, was sie immer tut – es sei denn, es geht ums Foltern: Sie führte Befehle aus.

Die jüngsten Taten der messerstechenden Salafisten hingegen erinnern merkwürdigerweise an Jüngers Stoßtrupperlebnisse. Den „Pour le Mérite“ werden sie dafür aber höchstens von Allah bekommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ambros Waibel
taz2-Redakteur
Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.

6 Kommentare

 / 
  • H
    hto

    Diese ENTMENSCHLICHENDE Welt- und "Werteordnung" wird, in Ausbeutung und Unterdrückung mit "gut und böse", arm und reich, usw., beherrscht von den Wenigen die vom nun "freiheitlichen" Wettbewerb (URSACHE aller symptom. Probleme unseres "Zusammenlebens) um ... profitieren, dabei wird die GLEICHERMAßEN unverarbeitete und deshalb leicht MANIPULIERBARE Bewußtseinsschwäche in Angst, Gewalt und "Individualbewußtsein" mit Bildung zu Suppenkaspermentalität auf Sündenbocksuche FUNKTIONALISIERT - die DUMMHEIT die dabei entsteht, verkommt dabei nicht nur in der "normalen" zynisch-schizophrenen Überproduktion von systemrational-systematischen KOMMUNIKATIONSMÜLL, sondern wehrt sich auf vielfältige Art, auch wenn sie dabei wieder mehr oder weniger bewußt von Wenigen ideologisch oder "kriminell" verführt und benutzt werden, oder medial ausgeschlachtet.

  • DR
    Dr. rer. Nat. Harald Wenk

    Um mich mal prägnanter auszudrücken. PRO (KÖLN)/NRW versucht durch gezielte Provokationen in den Opfersatis zu kommen und eden Volkszorn weg vonm Neonazi-Rechtaspolusimus hin zum Islam/Salafisten zu lenken.

     

    Die islamischren Fundamentalisten sind anscheinde sehr "zuverlässifg berechenbar was ihre "Proviozierbarkeit" angeht.

     

    Scheinbar reagieren sie "Pawlowsche Hunde" auf Mohammed Karrikaturen. Bestimmt haben sie einen "Schwur" getan oder so etwas. Das ist etwas kühler und intentionaler.

     

    Auf den Schutz der Polizei vor Neonazis/Rechtsradikalen kann in ihren Augen auch gut "kein Verlass" sein.

     

    Ja, es geht schon etws durchtriebener zu im Rechtspopulismus/Rechtsradiklismus.

     

    Auch gegen LINKE/Linke aller Art!!!! Obacht!Obacht!Obacht!

  • L
    Lupusb

    Da steht nicht wirklich "fürs KZ war er dann doch zu feige"... ??? Gehts noch?

  • T
    Teermaschine

    Was für eine Spökenkiekerei!

    Ob die beiden Pistoleros nebst Marketenderin je ein Buch von Ernst Jünger gelesen haben?(Ernst Jüngers Stahlgewitter hätten die drei wahlweise in der Abteilung Materialkunde oder Sport und Fitness eines Buchladens vermutet). Bedarf es eigentlich eines ideologischen Überbaus, um das neonazistische Unwesen in Ost und West zu erklären? Oder reichen diesen Irrläufern nicht auch bloße Versatzstücke, um ihr kriminelles Tun politisch zu legitimieren. Wenn sich die Neonaziszene durch eines auszeichnet, dann ist es das Fehlen jeglicher Intellektualität! Ihr Erscheinungsbild ist ebenso diffus wie ihre Gesinnung dumpf ist.

    Da ist die Salafistenszene von ganz anderem Kaliber.

  • H
    Hesperus

    Versuchen Sie es mal mit "Siebzig verweht". Vielleicht geht doch noch etwas richtung "klüger, schöner, heiterer"....

  • DM
    Dr. Manhattan

    Ernst Jünger ist eine Jahrhundertgestalt und dementsprechend genauso widersprüchlich. Das hebt sich wohltuend ab von der geistigen Eindimensionalität eines Waibel und seinen plumpen Pauschalisierungen.