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Kolumne BlagenStillrobben im Wartezimmer

Anja Maier
Kolumne
von Anja Maier

Bald beginnt Roberts Elternzeit. Sechs Monate, in denen er ungestört Klein-Frieda anquieken kann.

S ie sieht immer noch aus wie ein Troll. Dabei wird Frieda nun schon sechs Monate alt. Das propere Mädchen mit den Mandelaugen und den dichten rotbraunen Haaren sitzt auf dem Schoß ihrer Mutter und sabbert eine Karotte voll. Wir hocken am Küchentisch, reden darüber, wie es ist, mit so etwas Grundstürzendem wie einem Baby zu leben, einer Sensation im Kleinformat. "Na ja", sagt Dana, "Frieda ist natürlich süß. Aber langsam wirds Zeit, wieder ein denkender Mensch zu werden, ich kann das ganze Mama-Getue um mich herum nicht mehr ertragen, das macht mich rammdösig. Ich freue mich schon, wenns mit der Arbeit wieder losgeht, in vier Wochen ist es so weit."

Danas Mann Robert steht daneben am Herd und kocht uns was Gesundes. Wenn es die Logistik zulässt, vergisst er seine Töpfe, saust in einer Art Liebes-Sturzflug auf seine Tochter nieder und hebt an, sie zu knuffen und zu knutschen und unter lautem Getöse "Wo ist denn der Papi, na, wo isser denn!?" zu quietschen. Frieda gluckst dann jedes Mal selig, und Dana und ich müssen unser Gespräch unterbrechen, denn Roberts Ausraster sind sehr laut und raumgreifend.

Wir sehen hier: einen Mann, den die Liebe zu seiner Tochter zu einem Irren gemacht hat, einen Vater, der mit Mitte dreißig endlich zeigen kann, was emotional in ihm steckt. Ein total verknallter Frieda-Fan. Robert freut sich auf seine Erziehungszeit. Sechs Monate wird er zu Hause bleiben, sechs Monate, in denen er nach einem Kitaplatz fahnden und unbeobachtet mit Friedachen quieken und kuscheln kann. Schon jetzt geht er mit seiner Tochter einmal in der Woche zur Massage.

privat

Anja Maier ist sonntaz-Redakteurin.

"Väter massieren ihre Babys" heißt diese Veranstaltung im städtischen Geburtshaus. Eine Stunde lang, erzählt Robert, treffen sich da sechs Väter, für zwölffuffzich Gebühr kneten sie an ihren geliebten Kindern rum und plaudern. Natürlich gibt es eigentlich eine zertifizierte Massagetechnik, das muss in Deutschland so sein. Aber, sagt Robert, "das hat man ja nach zehn Minuten kapiert, wie das geht. Und jetzt quatschen wir eigentlich die ganze Zeit." Ein angenehmer Termin ist das, findet er. Und das findet auch Dana, seine Frau, denn sie hat dann endlich mal eine Frieda-Pause, Zeit für sich.

Andere Mütter sehen das offenbar nicht so. Bei denen handelt es sich um die Frauen der massierenden Väter, die nicht nur ihr Kind, sondern gleich auch noch ihren Mann beim Kursleiter abgeben und dann darauf warten, endlich wieder die Herrschaft übernehmen zu dürfen. Eigentlich, erzählt Robert, sollen die Mütter weggehen, spazieren, Kaffee trinken, egal. Aber sie hauen einfach nicht ab. Und deshalb musste die Geburtshaus-Verwaltung einen extra Warteraum für misstrauische Mütter einrichten. Da sitzen sie nun. Robert nennt sie "die Stillrobben". Fängt ihr Baby an zu maunzen, lassen sie es sich nach nebenan reichen und geben ihm die Brust.

"Sachen gibts!", sagt Dana. Sie fängt gerade an zu erzählen, worauf sie sich am meisten freut, wenn sie wieder in den Job einsteigt, da fährt schon wieder der verknallte Robert nieder. "Na Friedi, wo ist denn der Papi", quiekt er und bohrt seine Nase in Friedas Bauch, "Wo ist der Papi, wo?" Dana und ich schauen uns verständnissinnig an. Hier ist der Papi, ganz offensichtlich. Ein schwer verknallter Mittdreißiger, der Gott sei Dank bald sechs Monate zu Hause bleiben kann. Dana stillt gerade ab.

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.

12 Kommentare

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  • A
    Anita

    @das wahre Mutti

     

    garnich wahr!

    Ich hab naemlich 30 kg mit den Schwangerschaften zugenommen und bin somit viel _mehr_ Mutti als du!

  • DW
    das wahre Mutti

    @Anita & @Stillrobbe

     

    ich bekenne, ich bin das wahre Mutti !!!!!

     

    @seeelefant @hallo @Chris @gooan

     

    Los ihr Trolls, hier bin ich

  • A
    Anita

    @seeelefant

     

    Also ich fuehle mich von dem Eulenspiegel-Artikel schon treffend beschrieben. Der _einzige_ Unterschied ist, dass bei mir 2 Blagen unterm Tisch rum krabbeln...

  • S
    seeelefant

    Hallo liebe Stillrobbe,

     

    Sie haben ja so recht!

    Lesen Sie mal das hier, wird Ihnen gefallen:

     

    http://eulenspiegel-zeitschrift.de/index.php?option=com_content&view=article&id=331:das-mutti-aus-heft-52011&catid=2:auslese&Itemid=3

  • C
    Chris

    @Stillrobbe:

     

    wenn das mit dem erfüllten, intellektuellen Leben die letzten drei Jahre in dieser Form tatsächlich geklappt hat: gratuliere!

    Nur der Humor scheint dabei leider etwas auf der Strecke geblieben zu sein - schade! - auch fürs Kind.

  • G
    gooan

    hallo stillrobbe, wie schön, dass es so selbstgerechte meinungen gibt, die auch unbedingt kundgetan werden müssen...

    so habe ich doch immer mal wieder eine humorvolle leseminute...weiter so

  • H
    hallo?

    Super Kolumne!

    Freue ich mich jedes mal drauf.

     

    Aber das beste heute ist echt der Kommentar von Stillrobbe!

    Ich krümme mich jetzt noch vor lachen!!!

     

    (@Stillrobbe: in anderen Kulturen haben Mütter auch kein Problem damit den Vater (oder ein anderes Mitglied der Sippe) mit dem Kind mal eine Stunde allein zu lassen.)

  • UA
    urlaub auf balkonien
    Ich habe es trotz stillen und mein Kind nicht in die Krippe bringen in den letzten 3Jahren geschafft, ein erfülltes, auch intellektuell angeregtes Leben zu führen und brauche gar nicht viel Geld dafür.

     

    na prima, das können sie auch halten, wie sie wollen. aber wie es andere machen, geht sie doch gar nichts an. das ist allein deren angelegenheit.

    also kehren sie vor ihrer eigenen tür. da liegt bestimmt auch was.

  • S
    sinnlich

    ""Sachen gibts!", sagt Dana. Sie fängt gerade an zu erzählen, worauf sie sich am meisten freut, wenn sie wieder in den Job einsteigt, da fährt schon wieder der verknallte Robert nieder. "

     

    Agiprob von der ISNM würde wahrscheinlich genauso knöchern, pietistisch und verklemmt daherkommen.

     

    Wir fassen zusammmen:

     

    Stillende Mütter sind peinlich und doof,

    vernarrte Väter ebenso.

    Mütter die nicht früh abstillen wollen und glucken .....oberpeinlich.

    Arbeiten ist ................ guuuuuut !

     

    Egal ob es um das Balz-Paarungsverhalten, Aufzucht der Jungen, um Adoloszenz oder Klimakterium

    geht, der Mensch ist nunmal auch hormongesteuert.

    Und zugegeben viele Dinge, die er in dieser Zeit tut, sind für Außenstehende Grund zur Erheiterung, ergeben aber für den Fühlenden durchaus Sinn.

     

    Was wäre denn das Leben ohne diese Wirrnis der Gefühle ?

     

    Peinlich ist nicht der Liebende, die Mütterliche, der Väterliche, der/die Pubertäre sonderen der verklemmte Beobachter, der mit pädagogischen Zeigefinger (lustfeindlichen und oft neidvollen) den von Emotionen gebeutelten den Spiegel vorhält.

    Gegen Gefühle aber ist bekanntlich kein Kraut gewachsen. Und das ist gut so !

     

    wie wärs mit

    www.youtube.com/watch?v=TCv0cRSdh68

  • L
    loveley

    schön, dass männer inzwischen so viel liebesfähigkeit für ihren nachwuchs entwickeln - hätte ich einen solchen mann rechtzeitig gefunden, wäre ich heute mutter ...

  • S
    Stillrobbe

    Super Kommentar.

    Soll wohl witzig sein.

    Wer seinen Artikel schon mit "Blagen" überschreibt, hält wohl sonst auch nicht viel von den kleinen Schreihälsen,

    Schön, dass wenigstens noch der Papa etwas Sinn für die Kleine hat. ICh frage mich bei solchen Müttern bzw. dem allgemeinen Trend bei der Taz- Krippenbetreuung am besten am Tag der Geburt, Ganztagsschule juhu und Stillen ist nicht emazinzipiert- generell, warum solche Frauen überhaupt Kinder kriegen.

    Hey, OHNE kann man viel besser arbeiten.

    Umziehen, FLEXIBEL sein.

    Muss nicht auf nervige BEDÜRFNISSE eingehen.

    Kann tag und nacht arbeiten und sich für die "gesunde Volkswirtschaft" aubeuten lassen, für höhere Diäten der Abgeordneten arbeiten.

    Aber bloß nicht zuviel dem Kind geben. sonst wird es noch eine "Blage".

     

    Also Emanzenmütter: Ran an die Arbeit, selbstbestimmt natürlich, und denkt dran, verschwendet nicht zuviel Zeit an eure Babys. Die könnten es euch sonst vielleicht noch danken. Aber fürs BIP ist das natürlich nicht gut...und darum geht es ja schließlich.

    Wer abstillt, braucht Pulvermilch, wer arbeitet einen Krippenplatz. Super, wenn die Pulvermilch öko ist, dann passt das sogar ins Grünenwahlprogramm.

     

    Schade, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der Babys und Kindern sowenig Respekt entgegengebracht wird.

    Es IST nun mal Verantwortung ein Kind zu haben.

     

    Wer lieber arbeiten will, weil er sonst meschugge wird, ist dafür halt nicht geeignet.

    Ich habe es trotz stillen und mein Kind nicht in die Krippe bringen in den letzten 3Jahren geschafft, ein erfülltes, auch intellektuell angeregtes Leben zu führen und brauche gar nicht viel Geld dafür.

     

    In anderen Kulturen würden die Frauen nur den Kopf schütteln, wie man nicht auf das kleinste Maunzen einer 6-monatigen reagieren kann und sofort die Brust gibt.

    Nur in der industruialisierten Welt haben wir es schon soweit gebracht, unsere Urinstinkte abzutrainieren und werden davon noch von pseudo-feminisitischen Gruppen gefeiert!

  • A
    Anita

    Bei uns war die Rueckbildungsgymnastik zeitlich parallel zur Babymassage. Da waren die Mamas beschaeftigt.