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Kölner Domplatte und der Hass auf unsere neuen Bürger: Es geht auch andersMenschen in Käffern

Foto: privat

Neue Heimat

von Jan Feddersen

Die nächsten Zeilen möge man nicht als Werbung für einen ausgesprochen sympathischen Kollegen missverstehen – aber Hartwig Tegeler, steter Mitarbeiter vom Deutschlandradio vor allem im Hinblick auf Filme, hat vor Weihnachten mit einer Radioreportage aus Sumte begonnen.

Sumte ist kein Dorf auf Borneo und nicht der Name für eine Samtgemeinde in Nordnorwegen, es liegt vielmehr in der Nähe von Lüneburg und darf, ohne dass Sumter*innen es beleidigend verstehen müssen, als Kaff bezeichnet werden.

Irgendwo bei Lüneburg also, was eine kleine Stadt bei Hamburg ist, 100 Einwohner, gediegene deutsche Mitte, weltanschaulich ohne krasse Ausschläge nach links oder rechts. Und dann wurde beschlossen, höherenorts, auch im Sumte sollten Flüchtlinge Herberge finden.

Das Ansinnen löste Skepsis aus, ja auch mancherlei Befürchtung. Aber man nahm es hin, fast neugierig auf das, was kommen würde. Es kamen sehr viele Menschen, die sich noch vor wenigen Monaten in ihrer Heimat garantiert nicht vorstellen konnten, dass sie eines Tages auf ihrer Reise in eine bessere Welt in der Lüneburger Heide, in Erikabüschelchen und sehr grünen Wiesen landen würden.

Hartwig Tegeler schildert nun, dem Gegenstand absolut angemessen sehr, sehr ruhig, wie es in diesem Sumte zugeht. Lässt die Dörfler zu Wort kommen und die Flüchtlinge. Als Hörer möchte ich sagen: Das ist so spannend, wie ein Krimi über das echte Leben nur sein kann. Und atmet nirgendwo diese seltsam giftige Atmosphäre, die seit der Silvesternacht aus Köln in die Republik verströmt wird. Nein, Sumte ist der deutsche Normalfall – und der spiegelt eine extrem zwiespältige Lage: Die allermeisten sind gewillt, die Flüchtlinge faktisch als neue Bürger zu integrieren, und tun das Ihre, damit man sich in Gewöhnung aneinander bringt.

Der Autor bringt auch die neuen Sumter zur Sprache, und eine sagte neulich, in der zweiten Folge der Langzeitreportage, nun ja, das Leben im Wohnheim sei nicht leicht und natürlich gebe es dort die Guten und die weniger Guten, wie überall auf der Welt und dort, wo Fremde plötzlich miteinander auskommen müssen.

Man darf mich jetzt kritisieren und sagen: Mann, der ist ja sentimental und empfänglich für die Nachrichten vom Guten. Stimmt, bin ich auch. Ich steh auf neue Lebensformen, die nicht auf lange Sicht geplant wurden, sondern sich spontan ergeben, sozusagen durch die Umstände der Welt. Sumter aber, diese definitiv nicht sehr glamourös scheinenden Einwohner, ermutigen durch ihren wachsenden Willen zum Einvernehmen mit den neuen Dorfnachbarn. Man muss vielleicht auch sagen: Niemand von den Leuten aus den Tiefen der Lüneburger Heide stand irgendwo am Bahnhof und hat die Flüchtlinge – wie in München – willkommen geheißen. Man wartete ab und geht mit dem um, was nun eben Sumte als Dorfgemeinschaft zu leisten hat.

So lässt sich sagen: Sie kann viel, diese Community, die im Jahre 2015 plötzlich sehr nahbar mit der Globalisierung in Kontakt kommen musste. Ist das nicht tröstlich?

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