Klimapolitik und deren Umsetzung: Wir brauchen von der Leyen

Wer muss Verantwortung für den kommenden Wandel in der Klimapolitik übernehmen?

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen neben Greta Thunberg

Nur wenn viele auf unterschiedlichen Ebenen die Klimakrise bearbeiten, kann sie bewältigt werden Foto: imago

Von PETER UNFRIED

Die wichtigste potenzielle Klimaretterin, die wir haben, ist nicht Greta Thunberg. Sondern Ursula von der Leyen (CDU). Das muss man akzeptieren, wenn man ernsthaft Klimaschutz betreiben will, der ja „Menschenschutz“ ist, wie Luisa Neubauer völlig richtig sagt.

Nicht das Klima ist in Gefahr, sondern die Weltgesellschaften sind es. Von der Leyen ist EU-Kommissionspräsidentin. Es ist also ihre Aufgabe, jetzt die beschlossene CO2-Reduktion um 55 Prozent bis 2030 voranzutreiben. „Viel zu wenig“, sagen Klimapolitikaktivisten, aber das Wichtige ist, dass dieses Jahr in Brüssel etwas beginnt, was der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck die „Von hier an anders“-Politik nennt.

Derzeit werden dort jede Menge EU-Gesetze abgeändert, um die EU-weite CO2-Reduktion rechtlich in verschiedenen Bereichen zu verankern. Konkret muss der Emissionshandel angepasst werden. Soll heißen: ein schnelleres Absenken der Anzahl an Verschmutzungsrechten bis 2030, damit verbunden hoffentlich ein höherer CO2-Preis für die energieintensive Industrie, der wiederum mehr Lenkungswirkung in Richtung Effizienz und Erneuerbare auslöst. Zum Beispiel weniger Kohlestrom im Netz.

Auch die CO2-Grenzwerte für die Autoflotten müssen nochmals verbessert werden, damit das 55-Prozent-Ziel erreichbar ist. Derzeit wird in Brüssel ausgelotet, wie weit man an welcher Stelle gehen kann. Parallel dazu versuchen betroffene Branchen die Kosten für sich selbst zu minimieren, also den Schaden weiter auf die Weltgesellschaft abzuladen.

Auch die Medien müssen in die Verantwortung gezogen werden
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Was da genau läuft, wissen die wenigsten. Denn wir Medien berichten kaum darüber, und uns als Mediengesellschaft interessiert das auch nicht so genau, denn es passt nicht in unser emotionales und kulturelles Beuteschema. Stattdessen wird vom Spiegel die „Eigen­heim-­Debatte“ hochgezogen.

Der nächste Aufreger wird dann der angeblich drohende oder notwendige Sozialismus sein, die angebliche „Deindustrialisierung“ Deutschlands, irgendwas mit Fleischverbot und Autobahn, moralische Beschimpfungen der politisch Andersdenkenden, oder was sonst immer geht und immer gern genommen wird.

Klimapolitik als Kulturkampf inszenieren: Das werden andere liebevoll versuchen, aber genau deshalb sollten wir es nicht mehr tun; selbst wenn es manchen emanzipatorisch geboten scheint, die Klimakrise „intersektional“ lösen zu wollen. Die aufbruchbereite neue Mitte der Gesellschaft, zu der auch Fridays for Future gehört, muss einen anderen Ton und ein zielorientiertes Gespräch durchsetzen.

Ursula von der Leyen sollte den Wandel vorantreiben

Die Konzentration muss auf einem politischen Rahmen für sozialökologisches Wirtschaften liegen. Den hinzukriegen, muss Grundlage des Wettbewerbs aller demokratischen Mitte-Parteien sein. Dass Ursula von der Leyen die Transformation anführen muss, ist hilfreich. Dadurch kann die CDU das nicht mehr ideologisch unter „grün“ und „Spinner“ ablegen. Überhaupt ist der alte politische Graben zwischen halblinks und halbrechts obsolet, weil sich die neue Denkweise weigert, da reinzupassen.

Und inzwischen – das ist die gute Nachricht – haben sowohl Grüne als auch manche Konservative und Linkskonservative verstanden, dass in unserem Zukunftsparadigma „konservativ“ und „progressiv“ als Orientierungsbegriffe entweder aufgegeben oder neu definiert werden müssen. Weil jetzt auch Teile der fossilen In­dus­trien den Sprung ins Postfossile wagen wollen, muss sich sogar der Wirtschaftsflügel der Union bewegen, wenn er nicht marginalisiert werden will.

Dennoch ist es wahrscheinlich, dass die derzeitige Bundesregierung aus Union und SPD versuchen wird, nicht als Bremser der kommenden Politikentscheidung aus Brüssel sichtbar zu werden, jedoch ebenso wenig als Anführer, um nicht durch „ambitionierte“ – also notwendige – Politik, lauten Protest vor der Bundestagswahl auszulösen.

Aber Deutschland hat mehr als andere Länder und muss deshalb auch deutlich mehr Klimapolitik machen. Dafür braucht es politische Mehrheiten. Darum geht es in diesem Jahr.