Kito Nedoschaut sich in Berlins Galerien um:
Die Bilder von Tom Humphreys laden direkt zum Durchschauen ein. Der in London lebende Künstler zeigt in der Galerie Schiefe Zähne ein halbes Dutzend Gemälde mit stets wiederkehrendem Motiv: eine Hand, die einen Kamerasucher imitiert. In dieser händischen Rahmung tauchen unterschiedliche Dinge auf: Ein fossil wirkender Vogelkopf, Konfettimuster, monochrome Flächen oder außerirdische Fabelwesen. Die Gesten des Foto- und Filmemachens dienen hier einer verführerischen wie konzentrierten Form der Malerei (bis 19. 1., nur nach Voranmeldung: info@schiefe-zaehne.com, Schliemannstr. 37).
Überwältigend materialreich und begleitet von außerordentlich lesenswerten Texten werden die Außenprojekte von Isa Genzken in der Galerie Buchholz präsentiert. Die im vergangenen November anlässlich des 70. Geburtstags der großen Künstlerin eröffnete Schau zählt fraglos zu den besten Berliner Ausstellungen dieser Wintersaison. Genzkens virtuoser Umgang mit Infrastrukturen wie Autobahnen oder Brücken ist genauso beeindruckend wie ihr Gespür für öffentliche Plätze oder signifikante Architekturen. Sie ist Meisterin in der Kunst des Konterns (bis 26.1., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Fasanenstr. 30).
Den Punk vermisst man hingegen in der Schau „Fixed Sky Situation“ von Helen Marten in der König Galerie. Die Turnerpreisträgerin füllt den Raum mit Gemälden und Installationen, die zwischen Futurismus und Märchenhaftigkeit schweben. In ihrer sorgfältigen Verarbeitung und der pastelligen Farbpalette stoßen sie nahezu auf das ästhetische Terrain von Pixar-Animationen vor. Selbst Klecker-Flecken gerinnen in der Werkstatt der Londoner Künstlerin zu schönen Objekten. Marten konstruiert Situationen, die auf Arbeit und Reproduktion von Arbeitskraft zu zielen scheinen: Eine Installation wirkt wie eine Werkbank, die von unbekannten Handwerkern gerade verlassen wurde (bis 24. 2., Di.–Sa. 10–18, So. 12–18 Uhr, Alexandrinenstr. 118–121).
Die Form der beiläufigen wie kontemplativen Bildbetrachtung wird mittwochs in der Kreuzberger Bar Mysliwska gepflegt. Der Fotograf Tom Neubauer lebt seit Mitte der Achtziger in Berlin und arbeitet immer mittwochs als Barkeeper hinter dem Mysliwska-Tresen. Am Anfang des Abends legt er ein neu sortiertes Dia-Rundmagazin in den Carousel-Projektor ein und drückt fortan hin und wieder den Knopf der Fernbedienung. So wechseln die Bilder: Portraits, Landschaften und Stillleben durchziehen die Nacht. Im Netz betreibt er auch die Webseite unterpfand.de. Aber ich finde: Gerade in der vollen Bar sehen seine Bilder sehr gut aus (jeden Mittwoch ab 19 Uhr, Schlesische Str. 35).
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