piwik no script img

Kirchenasyl muß unnötig sein -betr.: "Scherf begrüßt das Kirchenasyl", taz-Bremen vom 3.12.1997

Betr.: „Scherf begrüßt das Kirchenasyl“, taz vom 3.12.1997

Bürgermeister Scherf würdigte auf einem Empfang der Bremischen Evangelischen Kirche, daß sich Kirchengemeinden auf das Kirchenasyl für Flüchtlinge eingelassen haben. Die Stadt habe schützende Räume für Leid und Angst nötig, meinte er. Wie wahr diese Worte doch leider sind! Aber aus Scherfs Mund wirken sie auf mich befremdlich. Durch seine Politik trägt Scherf nämlich dazu bei, daß Flüchtlinge auf Kirchenasyl angewiesen sein können, um sich vor der Abschiebung und damit vor Verfolgung und Tod in ihrer Heimat zu retten.

Im Sommer diesen Jahres ließ Scherf als Justizsenator zwei Richterstellen im Verwaltungsgericht einrichten, um Asylverfahren zu beschleunigen und dadurch mehr Menschen abschieben zu können. Er legte eine Rechnung zugrunde: Wenn pro Jahr 100 Asylbewerber zusätzlich abgeschoben werden, spart Bremen mehr Geld ein, als die neuen Stellen kosten. Eine Beschleunigung der Asylverfahren bedeutet aber, daß ihre Gründlichkeit leidet und sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, daß Menschen in die Fänge ihrer Verfolger abgeschoben werden. Wenn Scherf auf diese Weise Menschen vielleicht in Not bringt und dann jede lobt, die ihnen helfen, ist er unglaubwürdig. Statt schöner Worte sollte er besser eine Politik machen, die Flüchtlinge schützt und Kirchenasyl unnötig macht.

Friedrich Leust

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen