Kinder: Zur falschen Zeit geboren

Viele Eltern werden im Laufe des Jahres wieder aus allen Wolken fallen, wenn sie erfahren, dass sie ihr Kind bis gestern für einen Krippenplatz hätten anmelden müssen.

Ist das Kind im Winter geboren, drohen den Eltern Betreuungsprobleme. Bild: DPA

Wer in Bremen nach einem Jahr Elternzeit wieder arbeiten möchte, sollte zusehen, dass das Kind im Sommer geboren wird. Der Grund ist das Bremer Anmeldeverfahren, dessen Frist gestern zu Ende ging. Vergeben wurden die Plätze für das kommende "Kindergartenjahr" - das am 1. August beginnt. Das Nachsehen haben diejenigen, die schon vorher eine Betreuung brauchen.

So geht es Silke Schulz, deren zweiter Sohn im Januar zur Welt kam. Dank des Elterngeldes kann sie ein Jahr zu Hause zu bleiben, im Januar 2011 muss sie wieder arbeiten. Zwei weitere Monate können sie noch überbrücken, weil ihr Partner die zwei ebenfalls vom Staat finanzierten Vätermonate nehmen wird. Dann aber stehen sie vor der Lücke April bis August. "Ich habe keine Ahnung, wie wir das lösen sollen", sagt Schulz. Theoretisch könnten sie eine Tagesmutter suchen - wie es eine Sprecherin der Bremer Sozialbehörde vorschlägt - aber wie viele Eltern bevorzugt Schulz die Unterbringung in einer Institution. Und sie möchte ihrem Kind keinen Wechsel zumuten, erst eine Tagesmutter und wenige Monate später eine Kindergruppe.

Die 36-Jährige ist nicht alleine. "Das ist ein Riesenproblem", sagt Gabi Helms, Geschäftsführerin des Verbunds Bremer Kindergruppen, in dem 172 freie Gruppen - davon 96 für Kleinkinder - organisiert sind. Anders als Silke Schulz sei vielen Eltern gar nicht klar, dass sie sich im Januar um einen Platz ab August kümmern müssen. "Die rufen zwei Monate vor Ablauf der Elternzeit an und können nicht fassen, dass die Plätze nur einmal im Jahr vergeben werden". Etwa 600 solcher Anrufe, so schätzt Helms, gingen in der Geschäftsstelle des Verbunds jährlich ein. Durch das Elterngeld, das für ein Jahr gezahlt wird, habe sich die Situation verschärft. "Früher hatten wir viel mehr, die nach 18 Monaten einen Platz suchten, jetzt nach zwölf."

Dass Eltern es nicht besser wissen, lastet Helms ihnen nicht an. "Die sind erst einmal mit anderen beschäftigt." Außerdem bekämen viele angesichts der Ankündigungen über einen "Ausbau" der Krippenplätze den falschen Eindruck, die Mangelsituation in der Betreuung der Kleinkinder unter drei Jahren habe sich signifikant verbessert.

Dabei steigt die Versorgungsquote nur auf niedrigem Niveau: Von 15,6 Prozent im Jahr 2007 auf 22,7 Prozent in 2010. Im Jahr 2013 sollen bundesweit für ein Drittel aller Kleinkinder Betreuungsplätze bereit stehen, so haben es Bund und Länder gemeinsam beschlossen. Wie viele Eltern jedes Jahr in Bremen leer ausgehen, ist nicht erfasst. Ein Teil wird auf Alternativen zurück greifen, die nicht den eigenen Vorstellungen entsprechen, eigentlich zu teuer oder zu weit entfernt sind.

Dabei spricht der Platzmangel gegen ein Festhalten am starren Kindergartenjahr in Bremen. Die Sprecherin der Sozialsenatorin, Petra Kodré, argumentierte gestern, dass nur mit dem festen Beginn im August sicher gestellt sei, dass die Plätze tatsächlich alle belegt seien. Doch das Beispiel Hamburgs zeigt, dass dem nicht so ist. Auch dort übersteigt die Nachfrage das Angebot. Anders als in Bremen können die Kinder das ganze Jahr über angemeldet werden. Die meisten würden zwar im Sommer beginnen, sagt Jutta Couzinié, Leiterin eines Kindergartens in Barmbek, der dem freien Träger "Kinderwelt" angehört. Aber auch spätere Anmeldungen seien üblich. "Wenn ein Platz frei wird, telefoniere ich meine Warteliste ab, der kann sofort wieder besetzt werden."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.