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Archiv-Artikel

Kein Thema für Herrenwitze

betr.: „Noteingang für Findeltrinker“, taz vom 6/7.11.04

Ich traute meinen Augen kaum, als ich die Ausführungen der „Trinkerklappe“-Initiatoren las. Das Projekt selbst ist sicherlich lobenswert, die geradezu lächerlich einseitige Darstellung von Alkoholikern als liebenswerte, gebeutelte Schnuffel, die von ihren bösen Frauen zum Erfrieren vor die Tür gesetzt werden, hingegen eine Frechheit. Ich bin selbst mit einem alkoholkranken Vater aufgewachsen. Suchtkranke (ob Männer oder Frauen) werden von ihren Angehörigen nicht als Belastung empfunden, sie sind es. Und auf jeden Alki, der tatsächlich einen Rausschmiss erlebt, kommen zehn, die ihre Familien in ihr Elend mit reinziehen, wenn nicht sogar psychisch und physisch terrorisieren, und denen viel zu spät (oder nie) die rote Karte gezeigt wird. Nicht mal vor Stuss wie „Männer sind von Arbeitslosigkeit stärker betroffen“ (das Gegenteil ist der Fall) schrecken die Herren zurück. Und falls das Ganze als Scherz gedacht (gedacht?) sein sollte: Bei all dem Leid, das Suchtkranke in ihrem Umfeld verursachen, bietet sich dieses Thema schwerlich für Herrenwitze an. Es ist nicht komisch, mit einem unzuverlässigen, lebensuntüchtigen, veränderungsunwilligen und oft genug auch gewalttätigen Mann und Vater zu leben. SVEN KELLERT, Schleswig