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Archiv-Artikel

„Kein Popstar-Ding“

House für eigentlich nicht unbedingt daran Interessierte: Luomo, Genre-Star wider Willen, im Café Keese

Fehler können immer passieren – immer noch besser, als zu stagnieren

Interview: ALEXANDER DIEHL

Sein Debütalbum Vocalcity schlug Ende 2000 vielerorts ein wie die sprichwörtliche Bombe, in dieser Zeitung wurde damals gar gemutmaßt, ob es sich bei Luomo um den „John Coltrane unserer Zeit“ handele. Mit seinem doppelbödigen, minimale Verschiebungen durchlaufenden House-Entwurf begeisterte der erklärte Clubkultur-Ignorant Luomo (alias Vladislav Delay) auch jenseits eingeschworener Genre-Zirkel, wie man so sagt, Rezensenten und Publikum.

Inzwischen folgte der finnische Mittzwanziger seinem Herzen nach Berlin, und wer will, kann die (wieder) gefundene Liebe in Luomos Leben auch auf seinem neuen Album bemerken: The Present Lover, soeben erschienen, setzt da an, wo Vocalcity aufhörte, klingt dabei vordergründig komplett anders. taz hamburg sprach mit Luomo, der seinen wirklichen Namen nach wie vor nicht preisgibt, ungerne fotografiert wird und lieber Musik macht, als darüber zu reden.

taz hamburg: Nach der Veröffentlichung von The Present Lover, hielt man dir mancherorts entgegen, das Album sei zu glatt, zu eingängig – und weil du noch dazu ein Stück von deinem Debüt überarbeitet hast, witterten einige wohl bereits das kreative Ende von Luomo ...

Luomo: Das Remake von „Tessio“ repräsentiert die Idee des ganzen neuen Albums. Es steht für das nächste Level oder vielmehr: Wie klingt Luomo heute – und wie ist das aus dem ersten Album hervorgegangen. Ich wollte so weit wie möglich in Richtung Pop gehen. Aber wenn du aufmerksam zuhörst, wirst du tiefer liegende Schichten finden können. Kein großes Statement, was alles möglich ist, aber eine Art Würze. Ja, verschiedene Gewürze, das war von Anfang an das Konzept hinter der Platte, so wollte ich sie haben. Von einem Produzentenstandpunkt aus wollte ich ausprobieren, wie ich noch arbeiten kann. Denn eines sollte ganz sicher nicht herauskommen: ein zweites Vocalcity-Album. Eine gewisse Inspiration durch R‘n‘B und HipHop hat wohl eine Rolle gespielt, Musik also, die mir kaum credibility verschaffen dürfte. Dass es für viele Leute, die Luomo offenbar nur vom ersten Album kannten, vielleicht etwas zu ... na ja, es ist einfach nicht dasselbe. Du kannst es aber auch nicht jedem recht machen.

Du hast mal gesagt, du könntest nie in Köln leben, wegen der hohen Dichte an Produzenten, Musikern und DJs. Vor kurzem bist du nach Berlin gezogen ...

Meine Freundin kommt ja aus Berlin, wir haben dort eine tolle Wohnung gefunden – das machte es zur einfachen Entscheidung. Aber auch in Berlin leide ich an diesem Köln-Syndrom. Wenn ich ausgehe, treffe ich bestimmt 20 Leute, die mir auf jedem Festival begegnen und bei jedem Auftritt. Ich muss dauernd über die Art Dinge reden, über die ich absolut nicht reden will, wenn ich mit meiner Freundin auf ein Konzert gehe. Es ist einfach zu viel.

Die Gesichtslosigkeit ihrer Produzenten galt lange als Fortschritt der Clubkultur gegenüber dem Rock mit seinem Starkult – heute darf das weitgehend als überholt betrachtet werden. Analog dazu scheinst du als Person sichtbarer geworden zu sein: Die Leute kannten deine Arbeiten unter den anderen Namen, aber bei Luomo scheinst du als Mensch dahinter stärker berücksichtigt zu werden ...

Das mag daher kommen, dass die Musik zugänglicher ist und verfügbarer. Um meine andere, diese irgendwie ernstere Musik, gibt es nicht so einen Hype. Mit Luomo ist das einfach unglaublich: Ich habe gerade in Las Palmas, Gran Canaria gespielt. Da waren ungefähr 300 Leute, nur Einheimische – aber ich musste dermaßen viele Autogramme geben und Fotos von mir machen lassen. Diese Leute wollten teilhaben, mir die Hand schütteln, was weiß ich. Das Ambientpublikum macht sowas nicht. Die gehen sich ein Konzert ansehen und tun nichts, außer vielleicht ein bisschen zu klatschen.

Ist Luomo auf dem Weg, ein Popstar-Ding zu werden – nicht, dass du es darauf anlegst, sondern seitens des Publikums?

Manchmal scheint es mir so. Ich beabsichtige nichts dergleichen, aber es haut mich um. Sonst hab ich einfach nur meine Musik gemacht, aber dass so viele Leute davon beeinflusst werden ... Aber es ist nach wie vor eine recht kleine Angelegenheit – kein Popstar-Ding.

Gibt es für dich als Produzenten ein ideales Publikum?

Nein. Luomo ist ein Projekt mit hauptsächlich tanzbaren Tracks und ein paar, die daraus ausbrechen. Ich will schon, dass Luomo im Club funktioniert, das war sogar die Hauptsache, für Leute, die tanzen und eine gute Zeit haben wollen. Bei dem neuen Delay-Material oder meiner beinahe fertigen HipHop-Platte gibt es keine solche Notwendigkeit, zu unterhalten. Ich glaube, was ich überhaupt nicht schön finde, ist, mich zu wiederholen. Es können immer Fehler passieren – aber das ist immer noch besser, als auf Sicherheit zu spielen und zu stagnieren.

mit DJs Koze, Tobias Thomas und Superpitcher: Sonntag, 22 Uhr, Café Keese