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Kein Politikwechsel im Fall Guantánamo?US-Bericht hält Lager für "human"

Eine Pentagon-Untersuchung des Gefangenenlagers auf Kuba nährt Zweifel am Richtungswechsel in Washington. Auch die Häftlinge im afghanischen Lager Bagram sollen nicht mehr Rechte erhalten.

Straßenschild in Kuba. Zehn Kilometer weiter warten Gefangene auf die Änderung ihrer Haftsituation. Womöglich vergeblich. Bild: dpa

WASHINGTON afp Ein Pentagon-Bericht, nach dem im US-Gefangenenlager Guantánamo die Genfer Konventionen eingehalten werden, hat Zweifel an einem Politikwechsel in Washington ausgelöst. Menschenrechtsgruppen kritisierten den Bericht als beschönigend und ungenau. Für Kritik sorgte zudem die Weigerung der US-Regierung, den Gefangenen auf dem afghanischen Stützpunkt Bagram mehr Rechte einzuräumen.

Die Gefangenen in Guantánamo würden human und im Einklang mit den Genfer Konventionen sowie mit US-Gesetzen behandelt, heißt es nach Angaben eines US-Regierungsvertreters in dem von Präsident Barack Obama in Auftrag gegebenen Bericht. Einzelheiten wollte der Regierungsvertreter am Freitag bei seinem Gespräch mit Journalisten in Washington nicht nennen. Auch das US-Verteidigungsministerium wollte sich zunächst nicht über Inhalte äußern. Laut New York Times empfiehlt der Bericht Lockerungen der Isolation der Häftlinge und die verstärkte Einbindung der Gefangenen in Gruppenaktivitäten. Dies entspricht einer Forderung von Menschenrechtsorganisationen.

Wegen der Einschätzung, in Guantánamo würden die Genfer Konventionen zum Umgang mit Kriegsgefangenen eingehalten, hagelte es jedoch bereits vor der Veröffentlichung des Berichts Kritik. Die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union kritisierte das "Übertünchen" der mutmaßlichen Misshandlungen von Gefangenen während der Amtszeit von Präsident George W. Bush. Obama selbst habe gesagt, dass in Guantánamo nationales und internationales Recht verletzt werde. Daher sei der Bericht so "verstörend", erklärte der Aclu-Vorsitzende Anthony Romero.

Amnesty International (AI) zweifelte an der Genauigkeit des Berichts. Dies sei allerdings "nicht verwunderlich", da die Analyse nicht von einer unabhängigen Stelle stamme, erklärte AI-Vertreter Tom Parker. Menschenrechtsorganisationen werde nach wie vor der Zugang zu dem Lager verweigert. Obama hatte die Schließung Guantánamos binnen eines Jahres angekündigt.

Für weitere Kritik sorgte die Entscheidung des US-Justizministeriums, den 600 Gefangenen auf dem Militärstützpunkt Bagram in Afghanistan auch künftig keinen besseren Rechtsstatus einräumen. Das Ministerium entschied am Freitag, dass die Gefangenen in Bagram keinen Anspruch darauf haben, die gegen sie erhobenen Vorwürfe und Beweismaterialien zu kennen sowie ihre Haft vor US-Zivilgerichten anzufechten. Damit hält die neue Regierung in Washington an der Praxis der Vorgängerregierung fest.

Konkret wurden die Anträge von vier Häftlingen aus Bagram - zweier Jemeniten, eines Afghanen und eines Tunesiers - zurückgewiesen, die sich auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA zum Umgang mit den Gefangenen in Guantánamo beriefen. Die Verteidiger reagierten enttäuscht. Die Regierung Obama übernehme damit eine Position, die "dazu beigetragen hat, unser Land zu einem Aussätzigen zu machen, weil es die Menschenrechte sträflich missachtet", sagte die Anwältin Barbara Olshansky.

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12 Kommentare

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  • C
    Carl

    Bildunterschrift oben: "Straßenschild in Kuba. Zehn Kilometer weiter warten Gefangene auf die Änderung ihrer Haftsituation. Womöglich vergeblich. Foto: dpa"

     

    Sehr richtig. Das Ortsschild bezieht sich nämlich auf die kubanische Stadt Guantanamo, welche nördlich der US-Enklave Guantanamo Bay liegt. Im kubanischen Guantanamo gibt es ein berüchtigtes Gefängnis nach kubanischer Sitte, und dort haben die Gefangenen allemal Grund, auf eine Änderung ihrer Haftsituation zu hoffen. Aber das hat der taz-Autor dieser Bildunterschrift wohl nur ahnungslos gemeint.

  • N
    Nixmehr

    Die USA wollen offensichtlich im Nachhinein ihr Tun reinwaschen. Das Ganze mit den Folterlagern (und dem Menschen verschleppen, kennt man sonst nur von lupenreinen Demokraturen und Diktaturen jeglicher Art)ist von den USA illegal und verbrecherisch. Die 'Haltung' dieser Menschen in dem 'Gefängnis' (und allen anderen 'Sonder'Gefängnissen) war und ist ein Verbrechen, alle Gefangenen wurden systematisch und nachweisbar gefoltert. Die USA haben dies selbst mit den veröffentlichten Fotos und Filmen dokumentiert. Wieso wird diskutiert, ob überhaupt Folter stattfand/findet? Was ist Folter, wenn nicht Entzug sämtlicher Sinnesreize? Wieso muß diskutiert werden, was Folter ist, wenn die Leute auf den Bildern zum Knien gezwungen werden, lichtdichte Brillen, Ohrenverschlüsse und Mundverschlüsse tragen? Zum Verhör liegend gefahren werden usw. Das ist Reizentzug in reinster/ in jeder Form.

    (= Sensorische/perzeptuelle Deprivation, s. Wiki).Das ist Folter.

    Zu RAF Zeiten wurden Ansätze davon in den Haftanstalten als Isolationshaft bezeichnet,es war da allerdings wirklich -nur- in Ansätzen vorhanden.

    Die USA haben in den 60/70ern systematisch daran geforscht und setzen es in ihren Lagern um. Weiße Folter.

    Zu Obama: ein Paradigmenwechsel sieht anders aus. Ausgeträumt.

  • CJ
    Cornelia Jaskosch

    Ich kann nur hoffen, dass Obama weiterhin eine Schliessung Guantanamos anstrebt und nicht einen Sinneswandel entdeckt auf Grund dieses Berichtes.

  • U
    UweRietmöller

    Und noch mehr Ungemach droht Obama.

    Wie in der Onlineleserbriefseite der taz zu lesen, wird Obama in den Augen des Leser Doktor K. disqualifiziert sein, wenn er sich dessen Ansichten nicht beugt. Man überlegt schon, mit welchem rhetorischen Trick die Anwendung der Nazi-Keule auch auf Menschen dunkler Hautfarbe anwendbar ist.

  • AD
    Axel Dörken

    Polemik?

     

    Ich kenne den Bericht nicht persönlich. Dahe weiß ich nicht, ob er sich auf die aktuelle Lage bezieht und ob diese zur früheren gleigeblieben ist.

     

    Ich denke, dass ein Interview mit Barack Obama mehr Klarheit bringen kann, als Diffamierungen und vorschnelle Verurteilungen.

     

    Liebe Grüße

    Axel

  • HD
    Hugues de Fer

    Veglichen mit Gefängnissen zwischenalexandria und Kapstadt und Amman und Djakarta ist Guantanamo gewiß ein sanatorium.

  • JS
    Johan Schreuder

    Yes we can....But we won't

  • BF
    bien fait

    pour vos sales geules!

  • R
    Rudi

    Hihihi :-))

     

    Da habt ihr euren tollen Obama, der so lieber und ganz anders sein wollte, als sein Vorgänger.

  • DK
    Doktor K

    Das ist ja so als würde unser Innenministerium einen Bericht über die Einhaltung der Bürgerrechte in der Gesetzgebung Schäubles verfassen. Wenn Obama auf Grundlage dieses Pamphletchens irgendeine Entscheidung trifft, ist er für mich disqualifiziert. Aber ich vertraue ganz auf seine Vernunft.

  • HW
    Hans Wulsten

    Nanu, nanu?

     

    Die Obama-Begeisterung der taz bekommt wohl einen ersten Knick?

     

    Das tut mir jetzt aber wirklich leid,daß sich die Wirklichkeit dem Wunschdenken so wenig anpaßt....

  • WW
    Walter Wasilewski

    Ein Land das sich das Recht nimmt in andere Länder einzumarschieren mit Bomben und Raketen Tausende von Menschen Frauen und Kinder tötet mit der Begründung für Menschenrechte und Freiheit zu kämpfen selbst aber mehr als fragwürdige "Gefangenenlager" unterhält dessen Verhörmethoden als Folter bezeichnet werden muss unabhängige Untersuchungen zulassen. So dreist und häufig wie nachweislich bisher gelogen wurde ist eine unabhängige UNtersuchung notwendig. Die ASA können nicht dauernd für sich Sonderrechte in Anspruch nehmen. Die Bündnispartner sind in der Pflicht !

    Walter Wasilewski