Kein Kommentar! : Das wird Sie alle erschüttern!
Nicht nur Müntefering kann Klassenkampfrhetorik: Beim Frankfurter MedienMittwoch war das Privatfernsehen endlich mal wieder der Feind
Es dauerte keine fünf Minuten, bis die ersten Gäste Guido Modenbach an die Gurgel wollten. „Für mich ist Quote ein legitimes Element, um Qualität zu beurteilen“, hatte er zuvor auf dem Podium des Frankfurter „Medien- Mittwochs“ provoziert, einer Veranstaltungsreihe der Agenturen-Initiative m2 gemeinsam mit der IHK. Als der Geschäftsführer des RTL-Werbezeitenvermarkters IP Deutschland dann noch das „Dschungelcamp“ als Qualitätsfernsehen lobte, war er beim Publikum endgültig unten durch. Raunen im Saal, dann empörte Zwischenrufe: Massenmarkt als Qualitätsindiz, das könne doch nicht ernst gemeint sein!
Ist es aber – jedenfalls von denen, die damit Geld verdienen, dass sie Werbekunden garantieren, Millionen potenzielle Käufer zu erreichen. Das geht übrigens seit über 20 Jahren so. Macht nix, das Publikum wollte sich trotzdem aufregen und schimpfte kräftig auf die nicht vorhandene Qualität im privat-kommerziellen Fernsehen. Andreas Kühner, Pressechef des Pro7-Sat.1-Vermarkters SevenOne Media, drohte daraufhin mit Marktforschungsergebnissen, die beweisen sollten, dass Besserverdienende und Gebildete nicht nur „Tagesschau“ und „Harald Schmidt“ schauen, sondern auch „Die Alm“ und „Die nervigsten Dinge der 90er“ („Das wird Sie alle erschüttern!“). Modenbach stellte klar, dass viele Anspruchsprogramme in der Prime Time der Privatsender einfach nicht zu refinanzieren seien – außerdem werde niemand gezwungen, sich Desireé Nick beim Käferessen anzusehen! Kühner wärmte derweil die alte Diskussion auf, ARD und ZDF würden sich den kommerziellen Sendern immer stärker annähern: „ARD-Programmchef Günter Struve könnte seinen Job genauso gut bei RTL machen.“ Es half nichts. Das Publikum blieb stur. Modenbach und Kühner auch.
So verbohrt konnte man Befürworter und Gegner des Privatfernsehens schon lang nicht mehr aneinander vorbeireden sehen. Fast unmöglich, da zu beurteilen, was erschreckender war: die naive Sicht der Gäste aufs Kommerz-TV oder die Unverblümtheit, mit der die Vermarkter die Werbung als obersten Programmzweck priesen. Eine Diskussion darüber, dass RTL und Pro7-Sat.1 ihr Geld derzeit bloß noch mit Formatimporten und Abklatschen von US-Serien verdienen wollen, ließ sich so nicht durchsetzen. Nach 45 Minuten versuchte Modenbach ein Schlusswort: „Ich glaube, die Standpunkte sind jetzt relativ deutlich artikuliert worden.“ Dann gingen die Peinlichkeiten noch ein Stündchen in die Verlängerung. Peer Schader