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Katrin Seddig Fremd und befremdlichIch möchte ein Loblied auf den öffentlichen Parkanstimmen

Lou Probsthayn

Katrin Seddig ist Schrift-stellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Das Dorf“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.

Es war ein erster Sommertag im Norden. Und da waren die Menschen draußen, auf einer Wiese, an einem Strand und in den Cafés, in den Parks, oder auf den Bürgersteigen kauernd, die Kinder, die lieber auf den Bürgersteigen kauern, während ihnen die Autos ihre Abgase in die Nüstern blasen. Aber draußen waren sie alle, es sind ja ungefähr 30 Grad gewesen, und die Touristen waren natürlich auch draußen, es war ein wunderbares Wochenende.

Ich war in Planten un Blomen. Und ich möchte mich nicht beschweren, sondern ein Loblied anstimmen, auf den öffentlichen Park, nicht nur auf Planten un Blomen, wenn auch vor allem auf diesen. Samstag, am frühen Abend, saß ich also in Planten un Blomen, auf der Wiese vor dem Parksee, und nahm teil an dem großen Theater der öffentlichen Welt. Tausende Geschichten könnten dort beginnen. Notizen für hundert Bücher hätte ich mir machen können: Ein Junge, der seinen Körper über die Wiese rollt, nach einer halben Stunde immer noch sich über die Wiese rollt, während sein kleinerer Bruder begeistert um ihn herum hüpft, aber der sich manisch drehende ältere Junge rollt weiter über die Wiese, sich in den vollständigen Rausch hinein, während die Welt sich um ihn dreht, Wiese und Himmel und Leute, und die Beine seines kleinen Bruders.

Und dann der große, dicke Junge mit dem offenen Mund, der über die Wiese taumelt, wie ein Kleinkind, staunend, immer nur staunend, während seine Mutter auf der Bank die Brote zurechtlegt. Die Frau mit dem roten Haarbusch, wie eine rote Wolke steht dieser gigantische Haarbusch von ihrem Kopf, während sie ihren viel kleineren Mann an der Hand mit sich zieht; die jungen Männer, die eine Deutschlandfahne auf dem Boden ausrollen, um sich darauf niederzulassen; die buddhistischen Mönche in ihren orangefarbenen Gewändern; die Inder mit orangen, blauen und einem weißen Turban, manche in Anzügen, manche auch in Jeans, die alle Schildchen an ihren Hemden tragen.

Oder die Japaner, die im Schneidersitz Schach spielen, das schwarz gekleidete, blasse Pärchen mit den blauen Haaren, die World of Warcraft spielen und sich gegenseitig in der Badewanne die Haare färben; die muslimischen Frauen, die um Tupperdosen mit Essen herum auf Decken sitzen, ihre Kinder schlafend oder tobend, einzelne auch im Klappstuhl ruhend; die jungen Mädchen in Bikinis, die stolz ihre Körper recken, ihre langen Haare schütteln; die Hockenden, Lesenden, die Kuschelnden.

Und der junge Syrer, der allein auf einem Stein sitzt, die Beine im fließenden Wasser im japanischen Garten, eine Wasserflasche in der Hand und in den Himmel starrt; die alten Männer in zerknitterten Anzügen, die sich laut freuen in einer mir unbekannten Sprache, beide klein, in glänzend geputzten Schuhen, und weißen, nach hinten gekämmten Haaren.

Ein gigantisches Buch könnte ich so schreiben. All das ist das Leben im öffentlichen Park, in der Großstadt, und es ist freundlich und friedlich, die Blumen, das fließende Wasser, die Toilettenfrau, – die vergaß ich zu erwähnen. Die Toilettenfrau in Planten un Blomen, die bietet an diesem Samstag eine Show an, ihre eigene Show, sie dirigiert und scherzt, sie weist die Frauen in die freien Männerklos, durch ihr privates Wohnzimmerchen hindurch, ruft und schimpft und lacht heiser, und bekommt Trinkgeld, für dieses Engagement, aber deshalb tut sie es nicht. Sie ist einfach froh. Ich bin auch froh.

So könnte doch die Welt beschaffen sein, so einander aushaltend. In Frieden

Der Park ist so wundervoll, mit dem Wasser, den Blumenbeeten, den Bäumen, und alle können hier sein, die Armen und die Reichen. Sie können Brote auspacken und die Kinder können spielen. So könnte doch die Welt beschaffen sein, so einander aushaltend. In Frieden.

Frage zum Schluss: Was ist das eigentlich mit diesen Camouflage-Shorts, die jeder zweite Mann seit 20 Jahren trägt? Was denken sich die Männer dabei? Wollen sie martialisch darin wirken, in kurzen Hosen? Wollen sie sich tarnen, wollen sie den Military Look?

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