Katja Keßler über Rollenverteilung: "Frauen lieben das Rudel"
In Deutschland ist Kinder haben und arbeiten die Quadratur des Kreises, findet Katja Keßler. Wichtig sei es, dass Frauen eigenes Geld verdienen. Gerade erschien das neue Buch der Kolumnistin und Autorin.
taz: Frau Keßler, Ihr Buch "Frag mich, Schatz, ich weiß es besser! Bekenntnisse einer Ehefrau" legt nahe: Frauen sind nicht nur die besseren Hausfrauen, sondern auch noch die besseren Männer. Mit Arbeitsverteilung ist da nicht viel.
Katja Keßler: Ich finde meinen Mann ja nicht deswegen sexy, weil er so super die Spülmaschine einräumen kann. Es gibt Dinge, die können Männer einfach nicht. Ich würde sogar behaupten, sie kommen mit angeborener Pupillenverkrümmung zur Welt und sind formen- und farbenblind. Man muss ihnen den Haushalt entreißen, bevor Schlimmeres passiert!
Und was können Männer besser?
Eben weil sie ein bisschen blind sind, sehen sie Dinge nicht. Und die Dinge, die sie nicht sehen, bedrücken sie auch nicht. Ein Mann kann problemlos unter einem schiefhängenden Lampenschirm sitzen, bei piepsendem Trockner, der ruft: "Räum mich aus!" und Sportschau gucken. Wir Frauen haben da den deutlich verkniffeneren und verspannteren Part.
Frauen machen sich also selbst das Leben schwer. Und der Mann genießt die Leichtigkeit des Seins?
Also, das typische Frauending ist doch: Konsens schaffen wollen, so eine Art verbales Kuschelbedürfnis, "Ja, der Rock ist aber hübsch, Frau Müller! Und diese Bluse, super!" Dazu kommt noch das Kümmer-Gen: Hat auch jeder Kaffee in der Tasse? So bin ich auch erzogen. Und versuche wacker, es mir wieder abzuerziehen. Das muss man als Frau wirklich lernen: dicke Luft und emotionale Spannungen auszuhalten. Männer können das tausend Mal besser. Wahrscheinlich, weil sie ihre Rituale haben: Erst hauen sie sich eins auf die Mütze, dann gehen sie gemeinsam ein Bier trinken. Das könnten Frauen nie! Ich kenne keine, die sich mit ihren Kolleginnen zofft und anschließend kommt die Schnapsflasche auf den Tisch. Irgendwie bleibt da immer ein Stachel im Fleisch. Wir sind viel nachtragender.
Die 40-jährige gebürtige Kielerin ist Zahnärztin, schreibt aber lieber. Erst die Texte zum Seite-1-Mädchen der Bild-Zeitung, dann vier Jahre lang die Gesellschaftskolumne dort. Auf der Spiegel-Bestsellerliste landete sie mit den Dieter-Bohlen-Biografien ebenso wie mit ihrem Roman "Herztöne". Ihr neues Buch "Frag mich, Schatz, ich weiß es besser" (Diana Verlag, 7,95 Euro, 208 S.) ist eine Sammlung von Kolumnen, die sie über das Zusammenleben mit ihrem Mann, Bild-Chefredakteur Kai Diekmann, ihren vier Kindern und ihrer Mutter schrieb.
Sie beschreiben sich in dem Buch als Hausfrau. Das ist ein schwieriger Begriff geworden.
Ja. Dieser Begriff atmet so Mief und Pief. Jeder sieht sie gleich vor sich: die Mutti, die Marmelade kocht und sich mit anderen Muttis trifft. Ich habe eine Freundin, als ich die kennen lernte und sie fragte, was sie beruflich macht, sagte sie: "Hausfrau!" Dazu trug sie hochhackige Stiefel, hatte lackierte Nägel und war überhaupt ziemlich peppig. Dass mir das alles so ins Auge stach, zeigt doch, dass ich selbst auch in Klischees denke. Hausfrau ist eben nicht gleich Hausfrau.
Ihr Beruf erlaubt es Ihnen, Hausfrau zu sein und von zuhause aus zu arbeiten. Bei der Kinderbetreuung hilft Ihre Mutter, die bei Ihnen wohnt. Funktioniert es nur mit solch einer Unterstützung?
Kinder haben und arbeiten ist in Deutschland die Quadratur des Kreises. Ich glaube, es würden viel mehr Frauen arbeiten, wenn die Kosten für professionelle Kinderbetreuung nicht das Geld übersteigen, das ich durch einen Job verdiene. Schon lustig: Stelle ich in meinem Büro jemanden ein, der die Zunge rausstreckt und den ganzen Tag Briefmarken anleckt, sagt der Gesetzgeber: "Wunderbar, betriebsbedingte Ausgabe, können Sie absetzen!" Engagiere ich jemanden, der auf meine Kinder aufpasst, damit ich arbeiten kann, heißt es: "Sorry, Privatvergnügen!" Das ist auch ein Grund, warum so viele Mütter zu Hause bleiben. Und der andere ist diese tiefe deutsche Überzeugung: Ein Kind gehört zur Mutter! Auch ich habe diesen Reflex: Dinge, die ich mache ohne mein Kind, muss ich vor mir selbst verteidigen, dass ich sie ohne mein Kind mache.
Spürt man unter Müttern deshalb eine gewisse Solidarität?
Nein, wir pflegen eine Art Guerillakrieg. Nach außen immer "Huh!" und "Hah!" und "Ach wie süß!", aber setzen Sie sich mal mit Ihrem Baby in die Sandkiste. Sie können mitstoppen, bis eine der Mamis Ihnen dort auf die Nase bindet, dass ihr Kind quasi seit der Stunde seiner Geburt durchschläft und, überhaupt, ein Überflieger ist. Und Sie sitzen da mit ihrem Schreikind, das jede Nacht zu Ihnen ins Bett will, und denken: Was bin ich für ein Ober-Loser?! Dabei ist wissenschaftlich bewiesen, dass beim Thema Durchschlafen nach Strich und Faden gelogen wird. Ich selber habe auch schon geflunkert. Als meine erste Tochter ein halbes Jahr war, traf ich unsere Nachbarin auf der Straße. Die meinte: "Dich sehe ich ja nie auf dem Spielplatz." Und ich so: "Stotter, stotter? äh … Wir fahren immer in den Wald!" Schön blöd, nicht? Man setzt sich als Mutter selbst viel zu sehr unter Druck.
Und kann dabei nur verlieren?
Ja. Wenn es nach einschlägigen Schwangerschaftsratgebern geht, beschallst du dein Kind noch im Mutterleib mit Chinesisch. Und schreien lassen ist auch out - von wegen Urvertrauen. Da kannst du ja als Frau nur scheitern! Meine Eltern haben keinen derartigen Zinnober mit uns veranstaltet. Ich will jetzt nicht sagen: "Siehste! Hat auch nicht geschadet." Mein Ansatz ist ein anderer: Ich bin immer mit meiner Mutter hart ins Gericht gegangen. Von wegen unemanzipiert, hat keine Hobbys außen ihren Kindern! Und jetzt nähere ich mich ihrem Rollenmodell an. Wenn mein Mann abends nach Hause kommt, gucke ich auch, dass was auf dem Tisch steht. Ist schon ein bisschen pervers.
Hat sich seit den Zeiten Ihrer Mutter für Frauen auch im Berufsleben nichts bedeutend geändert?
Meine tiefste Überzeugung ist: Es sind nicht die Männer, die verhindern, dass Frauen Karriere machen. Ich glaube, Frauen lieben das Rudel; wenn sie zur Seite gucken, haben sie ein gutes Gefühl, dass da noch wer steht. Das hat was mit ihrem Rollenverständnis zu tun. Ich glaube, eine Frau fragt sich bei einem Jobangebot viel mehr: Kann ich das? Bin ich dem gewachsen? Diese Zweifel sind Männern nicht so gegeben. Und letztlich sind da die Gene: Beobachten Sie mal kleine Mädchen beim Spielen. Die frisieren gemeinsam ihre Puppen. Und wenn daneben ein Knäuel aus Armen und Beinen ist, das sind bestimmt Jungs, die sich kloppen. Kampf ist ihr Leben.
Sind Sie näher bei Eva Herman oder eher bei Alice Schwarzer?
Weder noch. Eva mit ihrer Zurück-an-den-Herd-Doktrin ist mir viel zu militant und gestrig. Und Alice Schwarzer am anderen Ende der Wurst hat eine Streitbarkeit und Streitlust, die mich eher einschüchtert. Mir geht es wie vielen Frauen: Ich suche nach dem Role-Model, an dem ich mich orientieren kann.
Versuchen Sie, diese Figur für Ihre Töchter sein?
Natürlich prägt meine Lebensweise auch meine Töchter. Lilly ist erst fünfzehn Monate und noch viel zu klein. Aber Yella, die Siebenjährige, sieht mich am Schreibtisch sitzen, sie erlebt, dass die Arbeit ein wichtiger Teil meines Lebens ist, dass ich was Eigenes, von Papa Unabhängiges mache. Und wenn sie in fünfundzwanzig Jahren selbst an dem Punkt kommt zu entscheiden, Familie oder Job, hoffe ich, dass sie sich dann stark genug fühlt, beides zu schultern. Es gibt keine Formel für Glück, aber ich bin überzeugt, bei Frauen gehört selbst verdientes Geld unbedingt dazu. Es gibt aber übrigens auch andere Seiten an mir, da kann ich nur wünschen, dass mir meine Tochter nicht nacheifert. Ich bin die schlimmste Couchpotato alles Zeiten!
Waren Sie schon einmal mit Sexismus konfrontiert?
Nein, nie. Bin ich auch nicht der Typ für. Als ich damals als Praktikantin zur Bild kam, war ich immerhin schon siebenundzwanzig, also kein Häschen mehr.
Sie haben bei einer Zeitung gearbeitet, die Frauen aber oft auf Klischees reduziert. Sie haben sogar die Texte für die Seite-1-Mädchen geschrieben. Bewusst ironisch und überzogen?
Nicht bewusst, eher so aus dem Bauch heraus. Ich sah diese dickbusigen Frauen, die sich an irgendwelchem Gestänge räkelten, und fand es nur absurd, auf keinen Fall erotisch. Und so schrieb ich halt: Martha steht am Marthapfahl. Das war natürlich gaga, aber ich fiel auf. Deshalb liebe ich diese Nackten von Seite 1. Sie waren mein Fuß in der Tür.
Mit Ironie gegen die Ungerechtigkeit der Welt?
Eher mit Selbstironie. Ich kann gut über mich selbst lachen. Finde ich übrigens auch bei Männern unglaublich sexy - um noch mal aufs Spülmaschineeinräumen zu kommen -, bei selbstironischen Männern werde ich schwach. Meist haben die nämlich auch noch Fantasie - ebenfalls sehr antörnend. Neulich war mein Mann bei der taz-Genossenschaftversammlung. Er trug einen Button "Ich bin kein Alien". Also mir gefällt das. Wir beide haben echt Spaß.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe