Vierte Lange Nacht der Autoren am Thalia Theater
: Kampf um Arbeit – auf Leben und Tod

Jedes Jahr wiederholt sich die gleiche Prozedur: Rund 25 Thalia-Schauspieler – in Vorjahren auch anders besetzte Jurys – wälzen Dutzende hoffnungsfroher Nachwuchsdramentexte. Füllen ellenlange Listen nach einem ausgeklügelten System aus, das dem eines Fußballweltturniers in nichts nachsteht. Dramaturgen bilden Gruppen. Fahnden nach Gruppensiegern. Bis zum Schluss vier Gewinner übrig bleiben. Die haben die Chance, ihre Werke in der vierten „Langen Nacht der Autoren“ am Sonnabend uraufzuführen.

Eine Herausforderung auch für die vier Nachwuchsregisseure. Sie müssen mit zehn Probentagen auskommen. Doch zu Recht darf sich der Zuschauer auf eine einfallsfreudige Szenerie und spontane Darsteller freuen. Aufgrund des Andrangs im vorigen Jahr wurde das Ereignis von der Werkstattbühne in der Gaußstraße diesmal ins große Haus verlegt.

Längst gelten die Autorentheatertage Hamburg als Talentbörse: Ohne gezielte Unterstützung hätte es etwa Lukas Bärfuss‘ Die sexuellen Neurosen unserer Eltern sicher nicht in die Repertoirepläne geschafft. Und Andri Beyeler erregte zum ersten Mal bei den Autorentheatertagen 2002 mit The killer in me is the killer in you my love Aufsehen. Weitere Uraufführungen folgten.

In diesem Jahr haben sich 25 Thalia-Schauspieler durch 150 Einsendungen gewälzt. Die vier Siegerstücke sind inhaltlich und sprachlich sehr verschieden. Konflikte auf Leben und Tod sind es geworden, mal ausufernd, mal knapp verfasst. Das Bemühen um einen eigenen, meist schnellen Ton ist spürbar. Die freie Münchener Autorin Christine Wunnicke etwa hat bereits diverse Radiofeatures, Hörspiele und drei mehrfach prämierte Romane veröffentlicht. In ihrem Kammerspiel Fleshcrafter trifft eine Sozialarbeiterin auf einen verstörten jungen Mörder. Der bringt sie mit seinem verschlossenen Charme immer mehr aus der Fassung, ebenso ihren Ehemann, den Richter des Jungen.

In Kriegsmaschine verfolgt der Autor und Schauspieler Nicolai Borger die Genealogie eines Amokläufers: Billy Schulz hat alles – Job, Frau, Kinder, Nachbarn. Doch unter den Augen eines mysteriösen Fernsehpredigers und des allwissenden Erzählers Bill Missouri-Texas verspielt er erst seine Ehe, später auch seinen Job.

Ein weiteres Kammerdrama schuf der freie Berliner Filmemacher Jan Liedtke mit Toronto: Der junge Tom lebt nach dem Tod seiner Mutter allein mit seinem unglücklichen Vater und sucht die Nähe der gleichaltrigen Katja. Was als unschuldiges Spiel zweier Heranwachsender um Annäherung und Distanz beginnt, wird immer ernster. Als Tom mit Katja nach Toronto aufbrechen will, verändert sich alles.

Das Stück mit dem größten theoretischen Überbau verspricht Machiavellis Masseuse von Gerhard J. Rekel zu werden. Der gebürtige Grazer ist Absolvent der Wiener Filmakademie und hat bereits erste Lorbeeren als Journalist und Drehbuchautor erworben. Er treibt in seinem Stück den Kampf arbeitsloser Akademiker um die raren Stellen auf die Spitze. Masseuse Corinna und ihr Freund Max, ein arbeitsloser Erdkundelehrer, rücken dem Stellenmangel mit ungewohnten Methoden zu Leibe: Sie beseitigen Arbeitnehmer in Lebensstellungen. Die Idee haben sie der unbarmherzigen Machtfibel Der Fürst des italienischen Staatstheoretikers Machiavelli entnommen: Der Zweck heiligt die Mittel.

Caroline Mansfeld

Lange Nacht der Autoren, 12. Juni, 20 Uhr, Thalia Theater