piwik no script img

Kampf mit der VerwaltungVerklickter Feierabend

Einen läppischen Meldetermin mit dem Bürgeramt online zu vereinbaren sollte doch ein Kinderspiel sein. Denkste!

Selbst Anfang August sind keine Morgentermine verfügbar. Bild: DPA

Ein kühles Alster auf dem Balkon trinken oder schwitzend im Bürgeramt Schlange stehen? Die Entscheidung fällt leicht. Zumal mir noch acht Tage Zeit bleiben, um meinen neuen Wohnort in der offiziellen Zweiwochenfrist zu melden.

Die letzte Wartenummer habe ich vor Jahren gezogen. Damals konnte ich in der Wartezeit noch schnell fürs Abendessen einkaufen. Heute sind die Nummern gleich am Morgen vergriffen, es heißt, manche Menschen warteten bis in den Abend. Unpraktisch für Menschen mit einem Job. Aber man kann ja Termine online buchen, ganz stressfrei. In acht Tagen sollte das möglich sein.

Statt Warteblues auf klebrigen Stühlen knistert neben mir der Bierschaum im Glas. Allein, die Feierabendstimmung verflüchtigt sich schon beim Anblick der Internetpräsenz des Bürgeramts Neukölln: Behördendeutsch in winziger Schrift. Trotzdem scheint die Terminbuchung einfach: Drei Schritte sollen es sein. Mal sehen.

Ich klicke auf den Button „elektronische Terminvereinbarung“. Ein neues Fenster fordert mich auf, auf einen neuen Button zu drücken, auf dem „elektronische Terminvereinbarung“ steht. Jetzt die Ruhe bewahren! Eine Liste mit allen Bürgerämtern erscheint, die „elektronische“ Verabredungen akzeptieren. Auch meines in der Sonnenallee ist dabei. Aber: „Beachten Sie, dass nicht jede Behörde die Online-Terminvereinbarung für alle Dienstleistungen anbietet“, warnt ein Hinweis.

Eine Ummeldung ist eine läppische Formalie, die wird wohl jedes Amt anbieten. Ich klicke. Drei, zwei, eins: nichts. Kein Terminangebot, nur Information zu Meldungsarten. Ich bin verwirrt. Bedeutet das jetzt, dass doch kein Termin benötigt wird? Oder mich in der Sonnenallee nicht melden kann? Irgendwo unter Wegbeschreibung und Meldegesetz befindet sich in hellblauer Schrift ein Link: „Weitere zuständige Behörden für diese Dienstleistung anzeigen“. Er führt auf eine noch unübersichtlichere Seite, die immerhin im Text versteckt mitteilt, dass ich mich überall melden kann. Na dann.

Aber halt: Mein Amt ist ja trotzdem aufgelistet. Ein Klick – und ich lande wieder auf der vorigen Seite. Verflixt noch mal. Offenbar musste ich jetzt auf „Termin buchen“ klicken.

Endlich: ein Kalender. Aber in dieser Woche und der kommenden ist nichts frei. Obwohl nur 15 Minuten pro Person eingeplant sind. Dann muss eben eine Notlüge her, wann ich tatsächlich umgezogen bin. Schön wär’s: Selbst Anfang August sind keine Morgentermine verfügbar. Inzwischen ist es mir schon so egal, ich klicke auf den 16. August. Acht Uhr? Acht Uhr.

Das Bürgeramt bietet sogar eine Terminerinnerung per SMS an. Auch wenn ich hoffe, dass mein Handy am besagten Tag nicht um fünf Uhr morgens laut klingelt, bestätige ich die Option. Anschließend werden zeitliche Varianten für die SMS angeboten – zum ersten Mal bin ich positiv überrascht. Das sollte mein Zahnarzt übernehmen – bei dem fällt mir immer eine gute Ausrede ein, warum ich den Termin verschwitzt habe.

Mal sehen, ob die Klickerei jetzt ein Ende findet. Nach ein paar Minuten landet in meinem Postfach eine Bestätigungs-Mail des Bürgeramts. Die Vorgangsnummer ist siebenstellig. Überwältigt nehme ich den letzten Schluck Alster.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!