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Kampf gegen SupermarktLidl im Hinterhof

Eine Langenhorner Bürgerinitiative will eine Lidl-Filiale verhindern, weil sie die Lebensqualität verschlechtern würde.

Hier soll der Lidl hin: der Käkenflur in Hamburg-Langenhorn. Bild: Amadeus Ulrich

Der Feind hat vier Buchstaben und ist Europas größter Discounter. Er ist meist dort, wo all seine Konkurrenten auch sind, an Ausfallstraßen, in Wohngebieten, und vertreibt lokale Anbieter, da diese mit den Preisen nicht mithalten können. Es handelt sich um den Lebensmittelhändler Lidl.

Eckart Drews führt einen Kampf gegen dieses Unternehmen. Denn Lidl möchte vor seinem Haus, in einer kleinen Seitenstraße in Langenhorn Nord, eine Filiale bauen. Noch steht dort das Hotel „Tomfort“; das möchte Lidl dem Inhaber abkaufen und abreißen – für gelb-blaue Leuchtreklame und billige Pizza.

Als Drews zum ersten Mal von diesen Plänen hörte, informierte er sich, forderte den Bebauungsplan ein und erkannte: „Es ist ein Verfahren, von dem wir nichts wissen sollen.“ Er gründete eine Bürgerinitiative, die den Lidl verhindern möchte. Das Motto: „Keine Zerlidlung des Käkenflurs!“

Anfangs war er sich noch sicher, dass Lidl keine Baugenehmigung vom Bezirksamt Nord für die Filiale erhalten werde. Denn nach dem damals gültigen Bebauungsplan hätten die Lkw, die die Ware liefern, in die Bergmannstraße, eine kleine Seitenstraße, fahren müssen. Das hätte ob der Lärmbelästigung nicht genehmigt werden können.

Die Langenhorner Chaussee ist Hamburgs unfallträchtigste Straße; daher hat die Polizei eine Gehwegsüberfahrt verboten, ergo dürfte Lidl rechtlich eine alternative Einfahrt nicht an der Chaussee bauen. Doch die hiesigen Politiker erteilten Lidl eine Ausnahmegenehmigung, sprich: Nur die LKW, die Lidl beliefern, dürfen den Gehweg überfahren – hundert Meter weiter ist es wieder verboten.

„Welcher Wille steckt dahinter?“, fragt Drews. „Die Ausnahmegenehmigung hätte niemand erteilen müssen, auch dieser Lidl dürfte eigentlich niemals gebaut werden. Doch die Politiker haben sich einlullen lassen.“ Lidl habe versprochen, den Marktplatz Käkenhof wiederzubeleben und den Bewohnern eine günstige Einkaufsmöglichkeit zu bieten, sagt Drews. Lidl verspreche zudem, den Stadtteil aufzuwerten, mehr Lebensqualität zu schaffen und nur mit kleinen Lastwagen zu liefern.

Warum stimmen die hiesigen Entscheider nicht gegen diesen Lidl? Drews denkt, dass sie „Angst haben, wegen einer formalen Kleinigkeit auf Schadenersatz verklagt zu werden“. Damit könnte er Recht haben: Auf der Internetseite der Initiative gab ein Mitglied der SPD, das anonym bleiben möchte, zu, dass man „Schiss“ vor Lidl und den Konsequenzen habe, sollte man den Bau der Filiale nicht genehmigen. „Das hier ist ein wirklich böses Sodom und Gomorra, Lidl ist das Letzte“, sagt Petra Fianen, ebenfalls aktiv in der Initiative. Auch sie wohnt in der Bergmannstraße. „Unsere Seite ist ein reines Wohngebiet, wir dürfen nicht mal Brötchen über den Zaun verkaufen.“

Linke und die Grüne im Bezirk haben sich gegen den Lid-Marktl ausgesprochen, die CDU dafür. Nun liegt es an der SPD im Bauausschuss, ob die Lidl-Filiale kommt oder nicht. Thomas Domres, Chef der SPD-Fraktion in der Bezirksversammlung Nord, sagte vor wenigen Wochen: „Was wir an großflächigen Discountern jetzt noch verhindern können, verhindern wir.“ Drews spottet: „Nur nicht diesen Lidl vor meiner Haustür.“ Er ist sich sicher, dass das Bezirksamt den Lidl-Markt letztlich genehmigen wird.

Lidl war bis Redaktionsschluss zu keiner Stellungnahme bereit. Die dafür Verantwortlichen seien im Urlaub, heißt es.

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13 Kommentare

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  • HL
    H. Lindt

    Keine kleine langenhorner Bürgerinitiative wird eine schöne neue Lidl-Filiale verhindern können, weil sie angeblich die Lebensqualität weniger Einzelner verschlechtern würde...

  • F
    Franz

    Die Lidl-Geschichte ist wirklich ein böses Lehrstück in Sachen „Demokratie“. Vor diesem Hintergrund klingen die Phrasen der SPD zur sozialen Gerechtigkeit und zum sozialen Zusammenhalt geradezu als Verhöhnung. Aber spätestens seitdem wir wissen, in welcher Höhe sich Steinbrück seine Auftritte hat bezahlen lassen, hat die SPD die Maske fallen lassen. Wer noch glaubt, diese Partei sei die Partei der kleinen Leute, der hat noch nichts begriffen. Und all die kleinen Opportunisten, die auch von einer ähnlichen Karriere wie Steinbrücks träumen, arbeiten nach gleicher Manier. Uns wollen sie Zivilcourage lehren und gleichzeitig machen sie aalglatt gemeinsame Sache mit denen, die die Macht haben. Auch ein Bezirksleiter, der ohne mit der Wimper zu zucken, trotz aller zu erwartenden Probleme und Gefahren für Anwohner und Verkehrsteilnehmer mit seiner Unterschrift Lidl die Genehmigung für sein Bauvorhaben gibt, könnte ein Totengräber der Demokratie sein. Aber nachher will es wieder keiner gewesen sein. Große Anerkennung gilt jedoch denen, die den Kampf gegen die Willkür des Staates aufgenommen haben. Vielen Dank an alle, die den Kampf gegen Lidl und die bürgerfeindliche Verwaltung aufgenommen haben.

  • J
    Juanita

    es ist immer dasselbe, da kann sich der Bürger noch so abzappeln, die Politiker "arbeiten" am Bürger vorbei. Da muß man sich doch nur Langenhorn 68 (Wichert-Bauvorhaben) ansehen. Ganz heimlich sollte das BV über die Bühne gehen. Sicher wird auch auf dem Areal Klinik Ochsenzoll, Baufeld 4, nur mit "Ausnahmegenehmigungen" ein Bauvorhaben durchgezogen, was nicht dem Bebauungsplan Langenhorn 22 entspricht. Da muß man sich doch nur die mehrgeschossigen Etagenhäuser anschauen. Frau Carola Kempin, (Dezernat Wirtschaft, Bauen, Umwelt)erteilt nur Auskunft gegen Gebühr.

    Trotz Gebühr (Abschreckung) glaube ich, wird der Bürger dennoch belogen.

  • AN
    Albrecht Nehren

    Bei der Supermarktdichte fehlt mir die Rationale , warum ein weiterer Discounter wieder in ein Wohngebiet eindringen darf, - gegen bisher geltende Regelungen. Wer hat was davon? Sind die Bezirkspolitiker für die in ihrem Bezirk lebenden Bürger oder sind sieInteressenvertreter der Konzerne? Warum machen sich die Bezirkspolitiker nicht für Wohnraum mit wohngebietsadäquater Ladenstruktur stark? Das wäre eine würdige Tomfortnachfolge. Vernunft und Bürgernähe möge bei den Bezirkspolitikern einkehren.Zur Umkehr ist es hoffentlich noch nicht zu spät.

  • G
    GurkeUndSchurke

    Bundesregierung, Länder, Kommunen - gibt es eigentlich noch irgendeine politische Ebene, auf der die Politik nicht wie ein dressierter Affe von der Wirtschaft durch die Manege geführt wird?

    Mal sehen, wie es ausgeht & wäre das nicht eventuell ein Fall, den sich Antikorruptionsstellen anschauen sollten? Nicht, dass man noch keine Pferde hätte kotzen sehen, liebe SPDler!

  • DP
    dr. p.braeutigam

    @ Denis: "alle Geschütze auf Ausnahmeregelung stellen"

     

    Das scheint mir auch so: Alle Ausnahmegenehmigungsrohre auf scharf gestellt. Und alle Verbündeten gleichgeschaltet. Eine Überschrift auf der website der Initiative lautet fast literarisch: Decken-tarnen-Kopitzsch - der Mann ist jetzt Hamburger Polizeipräsident. Jetzt kann er exekutieren was er vorher mit beschlossen hat: Die Auslieferung Langenhorn-Nords an LIDL.

    Wenn man die Dokumentation der Abläufe auf der Seite liest (LIDL und Kaekenflur googlen) stockt einem der Atem. Die SAGA manipuliert ihre Mieter und hetzt sie gegen die Anwohner. LIDL bietet der Verwaltung einen Standort für ihr Kulturzentrum als Preis für die Baugenehmigung. Die SPD-Fraktion erklärt schriftlich, dass sie aus Angst vor Schadenersatzklagen lieber Ausnahmegenehmigungen gegen geltendes Recht erteilt. Und all das geschieht vor unseren Augen: Hier wird Feigheit, Willfährigkeit und zumindest tatenlose Korrumpierbarkeit dokumentiert. Und wie eine liberale und nachhaltige Metropole zur Bananenrepublik Langenhorn verkommt. Und das vor dem Hintergrund,der Langenhorner Chaussee einen weiteren Unfallschwerpunkt hinzuzufügen. Und den Verkehr durch die Hinterhöfe und durchs Wohngebiet zu jagen. Während LIDL nur mit Kleinlastern liefert. Und die Hänger vorher auf der Langenhorner parkt. Aber die Abgeordneten der SPD stimmen zu - um sich danach bei den Betroffenen anzubiedern: Wir sind doch eigentlich auch dagegen.

     

    Dieser Prozess ist ein Lehrstück wie Politikverdrossenheit entsteht: Wäre ich Anwohner - ich wäre versucht ... aber das widerspräche der Nettiquette. Dank an die Initiative gegen die ZerLIDLung des Käkenflurs für die entlarvende Dokumentation von Machtmissbrauch, Arroganz und Manipulation. Man lese nur die Umfrage der SAGA und frage sich ob der dafür Verantwortliche keinen Vorgesetzten hat! Oder gar im Auftrag hetzt?

  • H
    Hafize

    @Piet

    Das hat damit wenig zu tun.

     

    Zum einen müsste man bei dem Verkehr wohl eine eigene Spur auf einer öffentlichen Straße schaffen, also aller wahrscheinlichkeit mit öffentlichem Geld, damit die Kunden problemlos auf den Lidl kämen, zum anderen hat eine Gemeinde das Recht, zu diskutieren, wie die Flächen genutzt werden.

     

    Und Lidl ist nicht gerade ein Kiosk mit 80 Kunden am Tag. Die Langenhorner Chaussee ist sowieso schon eine der übelsten Straßen in Hamburg - da stellt sich die Frage, ob der Lidl hier an der richtigen Stelle wäre? Außerdem fahren Autofahrer nur fünf bis zehn Minuten, um zu einem Mega-Lidl (auch an der Langenhorner Chaussee) zu kommen. Dort gibt's genug Parkplätze. Unweit des angepeilten Standorts gibt es zig Discounter mit ausreichendem Warenangebot.

     

    Niemand brauch diesen Lidl hier. Und das Hotel Tomeforte will niemand haben - das ist aber nicht das Problem der Anwohner hier. Außerdem kann man auch abreißen und Wohnungen bauen. Auch das wäre möglich und würde sich rechnen.

  • LB
    Lars B.

    Ich kann dieses Vorgartenbashing nicht ganz vertehen. Ich gehe auch nur zum Zahnarzt wenn ich Zahnschmnerzen habe. Ansonsten sind mir zahnärzte ziemlich egal. Auch wenn ich weiß dass es Schmerzen gibt und Krankenkassen und Vorbeugung. Und gleichzeitig weiß ich wenn der nerv getroffen wid schrei ich auf. Wohl wissend dass es auch noch ganz viele andre Nerven gibt. Das gestatte ich und gestehe ich zu. es ist immer die persönliche Betroffenheit, die reagieren läßt. So funktionieren wir nun einmal.

    Aber das ganze - dass hier eine Konzernmafia augenscheinlich einen Stadtteil kauft mitsamt Politik, Verwaltung, SAGA etc. - das lässt mich frieren. Und ich freu mich, dass wenigstens nicht alles unter der Hand und unter dem Teppich bleibt.

    Die taz mischt sich ein. Bitte mehr!

  • P
    Piet

    Typische 'Not in MY backyard!'– Mentalität.

     

    Der 'Wutbürger' als jüngste,

    mülltrennende Inkarnation

    des deutschen Spießers.

     

    Aber wer sich erlesene Bioware leisten kann,

    braucht eben keinen Lidl...

  • D
    Denis

    "Doch die hiesigen Politiker erteilten Lidl eine Ausnahmegenehmigung ..."

     

    Ja, jetzt liegt's an SPD-Domres - was macht er?

    Und bislang sieht die Bilanz von der SPD so aus: In Barmbek-Mitte wurde ein Hochhaus bis auf die Höhe eines Kirchenturms genehmigt, weil Eigentumswohnungen für die Reichen wohl gleichzusetzen sind mit einem dünnen Kirchenturm sprich Sakralbau. Dass die Flugzeuge nur wenige Meter entfernt darüber fliegen, kein Problem, die geben dann eben noch mal mehr Gas, dieser Lärm wirkt ja auch eher aufmunternd und dynamisch, als störend, und die SPD-Leute wohnen eh in Wellingsbüttel, Volksdorf und an der Elbchaussee, da können die Leute auch mal was aushalten.

     

    Und überhaupt Langenhorn-Nord - gehört das wirklich noch zu Hamburg? Na gut, hier muss endlich auch der Fortschritt hin kommen und das bedeutet, Menschen kaufen mit dem Auto ein, LKWs bringen die Produkte der industriellen Landwirtschaft zum Konsumenten und das Hotel will seit fünf Jahren keiner haben, also ran an die Aktenlage, alle Geschütze auf Ausnahmeregelung stellen.

     

    Dass Lidl da nicht hingehört und das Ganze mist ist, kann wirklich jeder erkennen. Außerdem dürfte Lidl auch noch jedes andere Geschäft dort killen. Dazu müsste man wohl den Verlauf der Wandsbeker Chaussee ändern und eine Ein- und Auslaufspur für den Discounter schaffen.

     

    Nur fünf bis sieben Autominuten steht zwar der nächste Mega-Lidl, auch er hat zig Minigeschäfte gekillt, aber egal. Hamburg ist eben die Stadt der Ausnahmegenehigungen und ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

  • P
    Pizza

    sehr geehrter Herr Ulrich,

     

    falls Ihnen die Lidl Pizza nicht schmeckt mein bedauern. Nichtsdestotrotz sichert diese Pizza Arbeitsplätze in Ostdeutschland.

     

    mfg

  • J
    joshua

    Das Problem kenn ich. LIDL ist erst nett, danach kommen die Drohungen und am Ende wird massiv unter Druck gesetzt. Was aber wirklich schlimm ist, wie die Verwaltungen ducken und nachher war es keiner gewesen. Und die die dagegen sind werden diskreditiert oder wegverwaltet.

    Kenne das Problem aus Ammersbek. LIDL hat sich durchgeklagt und verstopft verkehrlich das Wohngebiet.Die Politik hat sich gewehrt und verloren. Aber sich wenigstens gewehrt.

    Ich wünsche der Ini viel Fantasie und Widerborstigkeit!

    Gruß von Josh

  • T
    THomas

    Hauptsache nicht vor meiner Haustür. An sich will ich ja auch billig einkaufen. Aber ich will nicht, dass das alles direkt bei mir nebenan passiert. Besser das passiert 100m weiter bei meinen Nachbarn vor der Tür. Mal ehrlich, nicht bei mir.