Kampf gegen PKK: Kein einfacher Besuch
Die türkische Regierung drängt den Irak schon lange, gegen die PKK vorzugehen. Doch Ministerpräsident al-Maliki ist praktisch machtlos, in Washington laufen die Fäden zusammen.
ISTANBUL taz Es ist für den irakischen Regierungschef Nuri al-Maliki kein leichter Staatsbesuch, den er gestern und heute in Ankara absolviert. Die türkische Armee droht mit einem Einmarsch im Nordirak, falls die irakische Regierung nicht endlich die Anschläge der kurdischen Guerillaorganisation PKK, die diese von irakischem Staatsgebiet aus in der Türkei verübt, unterbindet. Doch wie soll ausgerechnet al-Maliki dies tun. Noch vor seiner Landung in Ankara wies er gegenüber mitreisenden Journalisten noch einmal den Vorwurf zurück, seine Regierung toleriere die türkisch-kurdische Separatistenorganisation im Irak. "Wir dulden keine Terrororganisation auf unserem Boden", sagte er, und seine Regierung wünsche gut nachbarschaftliche Beziehungen zur Türkei.
Möglich, dass die Bagdader Regierung von Nuri al-Maliki die PKK im Nordirak nicht dulden will, doch das hat die PKK bislang nicht weiter gestört. Denn diejenigen, die im Nordirak das Sagen haben, die Kurdenchefs Massud Barsani und Dschelal Talabani, dulden sie durchaus. Zum großen Ärger in Ankara haben sie jedenfalls in den vergangenen zwei Jahren, in denen die PKK die Zahl ihrer Anschläge in der Türkei wieder massiv gesteigert hat, nichts getan, um den Nachschub der PKK aus ihren Rückzugslagern im Nordirak zu unterbinden. Täglich kommen aus dem Nordirak neue Kämpfer, Waffen und Geld für die Guerillakommandos in der Türkei.
Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan steht deshalb unter massivem Druck seiner Militärs. Schon vor Monaten hat Generalstabschef Yasar Büyükanit seine Truppen an der irakischen Grenze aufgestockt, mittlerweile dürften knapp 200.000 Mann in den drei grenznahen Provinzen stationiert sein. Immer wieder beschießt die Armee vermeintliche oder tatsächliche Stellungen der PKK auf nordirakischem Gelände.
Yasar Büyükanit macht darüber hinaus keinen Hehl aus seiner Auffassung, dass es militärisch geboten sei, die PKK-Camps im Nordirak direkt anzugreifen.
Vor der Wahl hatte Erdogan dem Militär den Angriffsbefehl verweigert und stattdessen auf eine diplomatische Lösung gedrängt. Das Ergebnis ist nun der Besuch des irakischen Regierungschefs. Heute soll eine Erklärung unterschrieben werden, in der sich beide Seiten zum gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus verpflichten. Allein dieses Papier wird kaum etwas nützen, wenn die irakischen Kurden nicht mitmachen. Die aber machen bislang wenig Anstalten, dem "Befreiungskampf" ihrer Brüder und Schwestern in der Türkei Hindernisse in den Weg zu legen.
Daran ändern können in der Realität nur die USA etwas. Der Groll in Ankara richtet sich denn auch nicht gegen den hilflosen schiitischen Regierungschef al-Maliki, sondern neben Barsani vor allem gegen die Amerikaner. Nicht al-Maliki toleriert die PKK im Nordirak, sondern das Pentagon und in letzter Konsequenz Präsident George Bush. In Ankara glaubt man auch zu wissen, warum. Einmal, so die weit verbreitete Überzeugung, rächt sich das Pentagon dafür, dass das türkische Parlament zu Kriegsbeginn den US-Truppen den Einmarsch in den Irak über die Türkei verweigerte, und zum zweiten glaubt man, dass die USA, genauer gesagt die CIA, den iranischen Arm der PKK (Pejak) nutzt, um gegen das Mullah-Regime vorzugehen. Die USA hätten demnach gar kein Interesse daran, die PKK aus dem Nordirak zu vertreiben.
Um seine eigenen Militärs weiterhin von einem Einmarsch im Nordirak zurückhalten zu können, braucht Erdogan jetzt aber dringend einen diplomatischen Erfolg, der nicht nur auf dem Papier steht. Mit dem Papier, das jetzt von der türkischen und irakischen Regierung unterzeichnet wird, in der Tasche, will Erdogan demnächst nach Washington fliegen, um sich dann von Präsident Bush persönlich Zusagen einzuholen, die garantieren sollen, dass zumindest ein Teil der Maßnahmen gegen die PKK, die jetzt mit al-Maliki vereinbart werden, auch umgesetzt werden. Zweitens will die türkische Regierung erreichen, dass ein Referendum in Kirkuk, bei dem entschieden werden soll, ob die Ölstadt zukünftig zum kurdischen Autonomiegebiet gehören soll oder nicht, verschoben wird. Ankara befürchtet, dass das Öl von Kirkuk zukünftig die ökonomische Basis für einen unabhängigen kurdischen Staat liefern soll und will deshalb unbedingt verhindern, dass die Kurden sich Kirkuk einverleiben.
Al-Maliki und Bush sollen dafür sorgen, dass das Referendum wenigstens erst einmal verschoben wird. Wenigstens in dieser Frage scheint Entspannung möglich. Massud Barsani hat bereits angedeutet, dass man aus technischen Gründen das Referendum wahrscheinlich verschieben muss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!