KURZ MAL IDENTITÄTSKRISE : Klo sei Dank
„Dich?“, fragt meine Bekannte. „Nie im Leben.“
„Doch“, sage ich und fühle mich auf einmal mies. „Ich schwör’s!“
„Nee“, sagt sie noch mal und mustert mich so von oben bis unten, wie gut das halt geht im Sitzen, denn sitzen tun wir uns gegenüber im Café. Kaffeeklatsch. Thema Identität. „Hmm, Identität“, hatte ich gesagt, „für mich sehr oft das Frau-Mann-Ding“, und dann auch erklärt, was ich meine damit – dass Menschen mich mal als das eine sehen und mal als das andere und mich je nachdem blöd angucken auf dem Klo – und schon kam ihr: „Dich? Nie im Leben.“
„Doch“, sage ich noch mal und fühle mich verzweifelt. Anscheinend gucke ich auch so, denn sie versucht mich zu trösten: „Ich würde nie zweimal hinschauen müssen bei dir!“ – „Oh“, sage ich und fühle mich noch schlechter. Sie meint das nett, klar, aber trösten wäre jetzt was anderes gewesen, eher was wie: „Klar, hast recht, jetzt, wo du’s sagst – uneindeutig bist du.“ Aber das sagt sie nicht, und ich sage auch nicht mehr viel, dafür denke ich umso mehr, auch wenn’s nur immer dasselbe ist: „Mist! Ist es so weit?“ Musste ja mal so kommen, eines Tages, dass ich plötzlich normal bin, so aussehe zumindest. Oh je. Ich seufze, merke kaum, dass sie sich verabschiedet und geht.
Ich gehe nicht; ich sitze: zwei Stunden, drei – „Mist! Ist es so weit?“ –, aber schließlich bewege ich mich doch, der Kaffee treibt. Ich muss aufs Klo. Na dann, denke ich, guckt mich wenigstens keine blöd an. Aber dann guckt doch eine blöd, von mir auf das Schild an der Tür, die hinter mir zufällt. Ich gucke erst sauer zurück, aber dann lächle ich plötzlich, jubeln möchte ich fast. Dankbar bin ich für den zweifelnden Blick, denn weil die Frau hier zweifelt, tu ich das nicht. Ganz genau weiß ich wieder, wer ich bin: hat irgendwas mit Mann-Frau zu tun. Klo sei Dank, Identitätskrise behoben! Doch noch nicht so weit. JOEY JUSCHKA