KUNSTRUNDGANG : Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um
Vor neun Jahren war das bildnerische Werk, das nun über einen Computermonitor abgerufen werden muss, schon einmal im Haus am Kleistpark zu sehen. Damals war Boris Lurie und die von ihm begründete NO!art-Bewegung Akteur und Thema der Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit der NGBK organisiert war. Heute nun ist er zwar wieder Thema von „optimistic, disease, facility“, aber die ausstellende Künstlerin ist Naomi Tereza Salmon. 1965 in Israel geboren, lebt sie seit vielen Jahren in Deutschland, wo sie sich in ihren multimedialen Installationen mit dem Gedenken an den Holocaust auseinander setzt.
Hierher gehört auch ihre Begegnung mit Boris Lurie. Denn Lurie, 1924 in Leningrad geboren, überlebte mit seinem Vater mehrere Konzentrationslager. Schon früh begann er sich in seiner künstlerische Arbeit mit dieser Erfahrung auseinander zu setzen. Nach dem Krieg übersiedelte er nach New York, wo er Ende der 50er-Jahre die radikale Kunstbewegung NO!art als Gegenbewegung zur Pop Art gründete. Fasziniert von Luries Werk, das sie 1998 in einer Ausstellung in Buchenwald kennen lernte, besuchte ihn Salmon in New York und konzipierte aus ihren dort gemachten Fotografien und Videoaufnahmen die Berliner Schau. Zu den Elementen Film, Fotografie oder der Computerdatenbank zum Werk Luries kommen Tonbandprotokolle hinzu, in den Lurie erzählt und seine Gedichte vorträgt, die auch an die Wände gemalt sind – in der uns heute merkwürdig nazistisch anmutenden Frakturschrift.
Lurie zu zeigen, während das MoMA in Berlin gastiert, ist allein schon eine Tat, weil sich zeigt, dass die Moderne noch ganz andere Gesichter hat, als hier behauptet wird. Ein böses, provokantes Gesicht und darin nicht unproblematisch. Doch Salmon/Lurie machen ein ernsthaftes Angebot zur Auseinandersetzung.