KUNSTRUNDGANG : Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um
Fotografieren statt malen heißt das Konzept der 1970 geborenen englischen Künstlerin Anne Hardy. Statt auf der Leinwand rekonfiguriert sie die von ihr ausgewählten Wirklichkeitssegmente im dreidimensionalen Raum. In der Art, wie sie arbeitet, erinnert sie an eine Filmarchitektin. Doch sie selbst sieht sich als eine Malerin der etwas anderen Mittel.
Die mit großem Zeit- und Materialaufwand hergestellten Bilder schauen, das ist schon wahr, mehr nach einem Gemälde oder einem Filmstill aus. Für eine Fotografie sind sie zu überinszeniert, zu surreal ist das Zusammentreffen alltäglicher Dinge und Begebenheiten, die offenbar nicht zusammengehören. Das Vorbild Jeff Wall ist deutlich zu erkennen, doch Anne Hardy übertrifft ihn bei weitem an Künstlichkeit. Wall bleibt letztlich doch nahe an einer vorfindbaren Realität. Das lässt sich für Hardy nicht behaupten. Wie soll man sich beispielsweise eine etwas altertümliche mächtige Schaltanlage vor einem Fenster erklären, vor dem sich nichts als Herbstlaub auftürmt? Wäre es denkbar, die Aufnahme sei in einem still gelegten Kraftwerk entstanden? Doch die Abfolge ihrer „Interior Landscapes“, die sie jetzt, erstmals außerhalb Englands, bei Quicksilver zeigt, straft diese Idee Lügen.
Wo sollte dieser Raum zu finden sein, der aus Pressspanplatten zusammengebaut und mit Kunststoffschaum abgedichtet wurde, damit vertrocknete, abgenadelte und vergammelte Weihnachtsbäume in ihm angehäuft werden? Wo sollten Tiergeweihe auf eine Holzimitattapete genagelt werden und Lametta den Boden bedecken? Ein merkwürdiger Partykeller, den sich manche Leute einrichten! Und hier, gerade wenn man anfängt sich zu mokieren, beginnen Hardys Bilder zu zünden. Die atmosphärische Stimmigkeit in diesen verschrobenen Szenarien nimmt einen gefangen, und plötzlich bekommt man nicht genug davon.