KUNSTRUNDGANG : Dominikus Müller schaut sich in den Galerien von Berlin um
Die bildende Kunst liebt das Kino, jene mächtigste Bildermaschine der Moderne. Sie blickt mit einer kaum verhohlenen Mischung aus Bewunderung und Neid auf sein Potenzial zum starken Affekt, der ihr selbst in der ihr eigenen Distanzierung wohl auf immer verwehrt bleiben wird. Und doch ist genau das auch eine Chance: aus der sicheren Distanz nicht die Welt in Bildern zu produzieren, sondern die Produktion von Weltbildern zu analysieren. Kathrin Sonntag etwa hat sich in ihrer Suche nach „Dracula’s Ghost“ in der Galerie Kamm eines der klassischsten Genres der Filmgeschichte vorgenommen. Ihre Filmcollage aus kanonischem Blutsauger-Footage, in Rumänien selbstgedrehtem Super-8-Material und dem entsprechenden Soundtrack, macht für sich allein genommen zwar schon einen veritablen und suspensegeladenen Horrortrip. Doch anstatt sich damit zu begnügen, in einem liebevoll nachgebauten Kinosaal mit Klappsitzen und rotem Vorhang das Kino zu imitieren, konterkariert sie die Macht von Hollywood-Mythen und die dadurch gespeisten Touristenerwartungen mit deren Auswirkungen auf die Wahrnehmung von Rumänien. Ganz ähnlich und doch vollkommen anders: RothStauffenberg. Auch sie haben bei Esther Schipper eine Art Kinosaal nachgebaut, diesmal jedoch einen sichtbar mobilen. Und auch sie befassen sich mit den Spuren des westlichen Tourismus. Ihr elliptischer Essayfilm fokussiert auf das Schicksal eines ehemaligen, inzwischen total verfallenen Luxus-Hotels in Mosambik, dessen Ruinen heute etwa 3.000 Menschen Unterschlupf bieten. Gleichzeitig versuchen sie, die Rolle des Kinos als Ideologieinstrument im 1975 sozialistisch gewordenen westafrikanischen Staat zu beleuchten. Also auch hier: eine distanzierte Reflexion auf die Mechanismen der großen Bildmaschine Kino. Bleibt nur die Frage: „Who watches the Watchmen?“
Kathrin Sonntag: Dracula’s Ghost, bis 25. April, Di.–Sa. 11–18 Uhr, Galerie Kamm, Rosa-Luxemburg-Straße 43/45 RothStauffenberg: Cartes Postales, bis 18. April, Di.–Sa. 11–18 Uhr, Esther Schipper, Linienstraße 85