KUMPEL IM ÖPNV : Voll dufte
In der S-Bahn sitzen die Leute und starren vor sich hin. Keine große Partystimmung, ist ja auch dunkel und spät und mitten in der Woche. Alle wollen nach Hause und schlafen, ich auch. Nur ganz vorn sitzen welche, die wollen nicht schlafen. Im Gegenteil, die wollen feiern, am besten mit uns allen.
„Hier gibt’s Bier!“, schreit einer von ihnen und winkt quer durch den Wagen. „Bier von meinem Kumpel, wa!“ Was der Kumpel davon hält, dass sein Bier verschenkt werden soll, weiß ich nicht, ich bin zu müde, um mich nach ihnen umzudrehen. Aber dann dreh ich mich doch um, denn es poltert und kracht. Der Kumpel ist vom Sitz gefallen, aber vielleicht hat er das auch mit Absicht gemacht, um uns ein bisschen aufzuschrecken, denn schon steht er wieder und schaut den Gang entlang. Er schaut und schaut, dann winkt er ab und setzt sich hin.
„Voll dufte, mein Kumpel“, gibt der Schreier bekannt und haut ihm auf die Schulter. Kurz darauf verabschiedet er sich. „Ich muss jetzt raus, wa“, ruft er immer wieder, damit wir alle es auch hören. Das ist nett von ihm, denk ich, so ’ne Art Warnung, eine Warnung für die, die auch aussteigen müssen, aber keinen Bock haben auf ihn, die können dann Abstand halten. So wie ich. Ich hab grad keinen Bock auf einen grölenden Mann, der mir Bier schenken will. Eigentlich hab ich nie Bock auf grölende Männer, die mir Bier schenken wollen.
Auf dem Bahnsteig grölt er fast noch lauter als zuvor. „Habt ihr das gesehen?“, will er wissen. Ich schau kurz auf, aber ich hab nichts gesehen. Doch das macht nichts, er erklärt uns, was grad passiert ist: „Hat mir ’n Bier durchs Fenster gereicht, mein Kumpel!“, ruft er. „Voll dufte, mein Kumpel, wa?“ Dann schlägt er gegen die Scheibe, und als der Zug anfährt, läuft er ein Stück nebenher. Ich geh solange schon mal die Treppe runter. „Voll dufte!“, dröhnt es mir nach. „Voll dufte, wa?“ JOEY JUSCHKA