KULTURGUT BIER : Saufen am Limit
Was für Welten zwischen Anspruch und Wirklichkeit liegen können, ließ sich aufs Trefflichste auf dem Internationalen Bierfestival beobachten. Drei Tage lang wurde zwischen Frankfurter Tor und Strausberger Platz gesoffen, was das Zeug hält. Entlang der Allee, die den Namen Karl Marx trägt, der einmal sagte, dass alle Revolutionen bewiesen hätten, dass sich vieles ändern lasse, nur nicht die Menschen, schenkten 300 Brauereien aus 86 Ländern 2.000 Biersorten aus.
Auf dem Weg vom Frankfurter Tor nach Hause bahnte ich mir drei Nächte lang mit Ellenbogen den Weg durch grölende Horden, watete ich durch Scherben und McDonald’s-Verpackungen, sah ich Männer, die Bierkrüge um den Hals trugen wie Kinder Wohnungsschlüssel. Einer hatte sich mit einem „Achtung frisch gestrichen!“-Schild geschmückt, ein anderer verkündete „Wer nicht kotzt, säuft nicht am Limit“ auf seinem T-Shirt. „Ich hab Kopfschmerzen“, klagte ein Mann mit schwacher Stimme, während er auf die U-Bahn wartete und sich mit letzter Kraft an seiner Bierpulle festhielt. „Der Arsch soll schneller fahren!“, schrie ein Mann mit Springerstiefeln, als sich die biergeschwängerte U-Bahn in Bewegung setzte.
Kaum waren die Spuren der Sauforgie beseitigt, las ich im Internet, dass sich die Präsenta GmbH als Veranstalter des Bierfestivals zum „verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol“ bekennt. Es sei „höchstes Anliegen, die Werte des Kulturgutes Bier weiterzutragen und wieder einen erfolgreichen Rahmen für einen moderaten Biergenuss auf dem Internationalen Berliner Bierfestival zu schaffen“. Gewünscht und gefordert sei „ein verantwortungsvoller Konsum des schwach alkoholischen Lebensmittels Bier, wobei im Vordergrund der Genusswert steht“. Dies sehe der Veranstalter „bereits weitgehend als gewährleistet an“. Das möchte ich stark bezweifeln. BARBARA BOLLWAHN