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Archiv-Artikel

KREUZBERGER TRADITIONSPFLEGE Wählt nicht Künast!

ANDERES TEMPERAMENT

VON DORIS AKRAP

Die Kultur des Trinkens von Alkohol wurde in Kreuzberg zwar nicht erfunden, doch sie wird in diesem Kiez besonders intensiv gepflegt. Vor allem im Sommer trifft man an allen Ecken auf kleinere und größere Gruppen, die diese Tradition wahren. Dafür sind sie diese Menschen ja schließlich hierhergezogen, denn Schöner Wohnen bedeutet in Kreuzberg, fußläufig die nächste Bar, das nächste Parkbesäufnis oder den nächsten Spätkauf mit gekühlten alkoholischen Getränken erreichen zu können. Sie stören sich dabei nicht daran, dass sich die Orte, an denen diese Tradition gelebt wird, Park nennen, obwohl von dem ansonsten in derartigen Locations üblichen Grasbewuchs jeder Halm fehlt. Sie tun dies gerne auch in der Nähe von fließendem Gewässer, auch wenn der Blick auf den Landwehrkanal vorüberschwimmende tote Fische ertragen muss und der natürliche Untergrund, der zum Sitzen genutzt wird, heftig uringetränkt ist. Oft beleben sie mit ihrer Anwesenheit auch einfach den Eingang von Supermärkten, um ganz nahe an der Quelle für Nachschub zu sein. Sie trinken einfach überall und jederzeit, denn diese Tradition darf nicht aussterben.

Kein Shuttle-Service

Nach einem solchen Event sind die Teilnehmer jedoch sich selbst überlassen. Es gibt keinen Shuttle-Service, der nach Ende der Vorstellung die Besucher nach Hause bringt oder in die Nähe eines Taxistands oder zu einer U-Bahn-Haltestelle. Deswegen fahren viele Kreuzberger dann noch Fahrrad oder versuchen, zu Fuß den Weg nach Hause zu finden. Das ist manchmal lebensgefährlich. Denn in Kreuzberg fahren, egal um welche Uhrzeit, auf allen Straßen Autos.

Umso dramatischer ist es, wenn Wege abseits der befahrenen Straßen nicht beleuchtet sind. So wie etwa die Verbindung zwischen dem Wrangelkiez und Nordneukölln, die direkt durch den Görlitzer Park führt. Dieser kleine Weg ist auch tagsüber, aber vor allem nachts hoch frequentiert. Zwischen 23 und 4 Uhr morgens ist das Verkehrsaufkommen so hoch wie zur Rushhour auf der Stadtautobahn. Fußgänger- und Fahrradkolonnen schieben sich durch die staubige Schneise. Dabei kommt es zu zahlreichen Verkehrsunfällen. Denn diese Trasse der Trinker ist unbeleuchtet. Warum das immer noch so ist, obwohl dieses Problem seit Jahren besteht und immer größer wird, weiß niemand. Dabei hat der Bezirk doch einen grünen Bürgermeister, der doch eigentlich für das Wohl von Fußgängern und Fahrradfahrern gewählt worden ist. Aber die Grünen haben andere Prioritäten: die von Renate Künast propagierte Nullpromillegrenze!

Wehret den Anfängen

Gerade eben erst musste sie ihren Wahlkampfmanager entlassen, weil dieser betrunken Auto gefahren war. Eigentor! Wer soll sich da nicht freuen, dass die patente Künast an ihrer eigenen Supermoral scheitert? André Stephan ist Opfer ihrer hyperprotestantischen Politik geworden. Statt den Autoverkehr aus der Stadt zu verbannen und den öffentlichen Nahverkehr auszubauen, will Künast nur den reibungslosen Autoverkehr. „Wir werden zeigen, dass wir die besseren Konzepte für die Stadt haben“, verkündet sie.

Das wage ich zu bezweifeln. Touristen lieben diese Stadt wegen ihrer gepflegten Trinkertradition. Das traditionsbewusste Kreuzberg wäre also gut beraten, Renate Künast nicht zur regierenden Bürgermeisterin zu wählen. Denn nach der Nullpromillegrenze wird die konsequente Sauberfrau sicher auch den Genuss von Alkohol an öffentlichen Plätzen verbieten wollen. Wehret den Anfängen! Rettet Kreuzbergs berühmteste Attraktion! Wählt Künast nicht!