KRANKENKASSEN MIT ÜBERSCHUSS: GESUNDHEITSPOLITIK BLEIBT UNGERECHT : Patienten ohne Lobby
Die positive Nachricht, die Gesundheitsministerin Ulla Schmidt vor der Wahl so gut gebrauchen könnte, bleibt aus: Zwar haben die gesetzlichen Krankenkassen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres erneut einen fast milliardenschweren Überschuss erwirtschaftet. Doch eine weitere Beitragssenkung wird es nicht geben. Das ist aus Sicht mancher Kassen, die weiter mit Schuldenbergen und steigenden Kosten vor allem im Arzneimittel- und Krankenhausbereich zu kämpfen haben, verständlich. Aus der Sicht der Versicherten ist es das nicht.
Denn es sind die Versicherten, die einen großen Batzen der zusätzlichen Einnahmen erbringen. Sie zahlen nicht nur die Praxisgebühr, sondern auch noch drauf bei Medikamenten und Krankenhausaufenthalten, bei Brillen und beim Zahnersatz. Seit 1. Juli müssen sie zudem einen Extrabeitrag von 0,9 Beitragssatzpunkten zahlen und übernehmen den bisherigen Arbeitgeberanteil dabei mit.
Im Gegenzug dazu hatte die Bundesregierung weiter sinkende Beiträge versprochen. Doch die Rahmenbedingungen hat sie nicht geschaffen. Ein drastisches Beispiel sind die Arzneimittelkosten, die im ersten Halbjahr 2005 um ein knappes Fünftel gestiegen sind. Einer der Hauptgründe dafür: Der gesetzlich festgeschriebene Rabatt, den die Pharmakonzerne den Kassen gewähren, ist zum Jahresbeginn von 16 auf 6 Prozent gesenkt worden. Die Bundesregierung ist vor der Pharmalobby eingeknickt. Auch die Standesvertretung der Kassenärztlichen Vereinigung, die machtvoll die Interessen der Ärzte vertritt, hat Gesundheitsministerin Schmidt nicht angetastet.
Dass unter einer unionsgeführten Bundesregierung die Interessen der Patienten in den Mittelpunkt der Gesundheitspolitik geraten werden, ist zweifelhaft. Im Gegenteil droht eine extrem ungerechte Finanzierung des Systems: Kanzlerkandidatin Angela Merkel wie auch ihre Gesundheits-Fachfrau Ursula von der Leyen wollen die Kopfpauschale in Reinform, nach der Chef und Sekretärin gleich viel für ihre Krankenversicherung zahlen sollen. Glücklicherweise weiß die Union nicht, wie sie das finanzieren soll. SABINE AM ORDE