KONGO: DER UN-BERICHT SOLLTE ZU EINER NEUEN OFFENHEIT BEITRAGEN : Beängstigende Erkenntnisse
Die Erkenntnisse von UN-Experten über konkrete militärische Vorbereitungen zu einem neuen Krieg im Kongo sind beängstigend. Offenbar haben jene Individuen, die fünf Jahre lang zum persönlichen Vorteil im Kongo den blutigsten Krieg der Welt schürten, noch nicht genug. Sie arbeiten eifrig daran, jede Einschränkung ihrer Aktivitäten im Rahmen des laufenden Friedensprozesses zu verhindern.
Die Frage ist: Wieso entfernte die UN-Zentrale das entsprechende Kapitel aus dem Abschlussbericht der Expertenkommission zur Ausplünderung des Kongo vor dessen Veröffentlichung? Im Afrika der Großen Seen hat die internationale Gemeinschaft ihren guten Ruf und auch erhebliche Geldsummen mit dem Erfolg der Allparteienregierung des Kongo verbunden. Doch im Lichte der unterdrückten UN-Erkenntnisse erscheint Kongos neue Friedensordnung aus Allparteienregierung mit militärischem UN-Schutz wie eine Fassade. Dahinter können die Mächtigen des Landes und der Region mit- oder auch gegeneinander ihre Spielchen treiben wie eh und je. Wäre das allgemein bekannt, würde schnell der Ruf nach einem internationalen Kurswechsel und nach Sanktionen gegen alle Beteiligten laut werden – was nach bisherigen Erfahrungen die Kriegstreiber weiter in die Illegalität und die Gewalt treiben würde.
Andererseits ist das öffentliche Interesse gerade auch im Kongo selbst an den Recherchen der UN-Experten hoch. Die medienwirksame Arbeit des UN-Panels in den vergangenen zwei Jahren hat den Kongolesen erstmals schwarz auf weiß dargelegt, wie der Kongokrieg funktioniert. Und Transparenz schadet krummen Geschäften. Gerade daher wäre es wichtig gewesen, das brisante Kapitel nicht zu streichen, sondern es zu vervollständigen. Denn in der Tat beruhen viele seiner Inhalte auf Hörensagen und auf einseitiger Auslegung von Gerüchten.
Es reicht nicht, „Parallelstrukturen“ zu kritisieren, wenn ihre mutmaßlichen Motivationen nur in Nebensätzen vorkommen. Warum betrachtet Ruanda die Beeinflussung der kongolesischen Politik als nationales Interesse, und warum trauen Kongos Machthaber ihrem eigenen Staat nicht? Diese Hintergründe haben die UN-Ermittler zu wenig im Blick. Es wäre die Hauptaufgabe internationaler Diplomatie im Afrika der Großen Seen, zu einer neuen politischen Kultur in der Region beizutragen, in der nicht nur allseitiges Misstrauen das politische Handeln bestimmt. Weder die vorgelegten Erkenntnisse der UN-Experten noch die Geheimniskrämerei der UN-Zentrale dienen diesem Ziel.
DOMINIC JOHNSON