KONGO: DER INTERNATIONALE STRAFGERICHTSHOF ERMITTELT FALSCH : Jagt die Kriegsverbrecher
Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs hat seine Prioritäten gut gewählt. Da der Krieg in der Demokratischen Republik Kongo der blutigste Konflikt seit dem Zweiten Weltkrieg ist und trotz Friedensprozess kein Ende findet, ist es völlig richtig, dass der neue Gerichtshof ihn zum Schwerpunkt seiner Arbeit erklärt. Es wäre für Kongos geschundene Bevölkerung ein später Akt der Gerechtigkeit, wenn jetzt endlich Ermittler die vielen Orte von Massakern und Vertreibungen aufsuchen würden, um Aussagen zu sammeln und die Geschichte dieses Krieges zu rekonstruieren. Nach Schätzungen haben seine Folgen schließlich mehrere Millionen Menschen das Leben gekostet.
Diese notwendige Aufklärung passiert jedoch nicht. Stattdessen fordert Chefankläger Ocampo, jetzt zunächst gegen ausländische Unternehmen vorzugehen, die durch Geschäfte mit kongolesischen Warlords den Krieg angeheizt haben sollen. Damit leistet er den Kongolesen einen schlechten Dienst. Erst einmal bedient er damit das von Warlords gern zum Selbstschutz vorgebrachte Vorurteil, wonach für Verbrechen kongolesischer Krieger in erster Linie manipulierende Ausländer verantwortlich sind.
Auf diese Weise können sich auch Täter zu Opfern erklären, was die tief verwurzelte Kultur von Straflosigkeit im Kongo zementiert. Das schadet einer ehrlichen Vergangenheitsbewältigung im Land. Außerdem müsste Ocampo erst zweifelsfrei den Hergang von konkreten Kriegsverbrechen feststellen, bevor er jemandem vorwerfen kann, sie durch Geldzahlungen an die Täter ermöglicht zu haben. Alles, was unter dieser Ebene liegt – zum Beispiel Steuerhinterziehung, Schmuggel, Bergbautätigkeit ohne Lizenz und was sonst noch alles im Kongo gang und gäbe ist – fällt sowieso nicht in die Kompetenz des Strafgerichtshofs. Wenn Ocampo scheitert, ist auch seine weitere Arbeit kompromittiert.
Die Geschichte des Kongo ist gekennzeichnet von der mörderischen Ausplünderung eines einst reichen Landes. Im Rahmen eines Friedensprozesses ist es daher zwingend, sich über die ökonomischen Machtstrukturen Gedanken zu machen. Die UN-Expertenkommission zu diesem Thema leistet hierzu wichtige Grundsatzarbeit, und wenn Kongos neue Allparteienregierung einmal handlungsfähig sein sollte, wird die Neuregelung von Bergbau und Rohstoffwirtschaft eines ihrer wichtigsten Arbeitsgebiete sein. Aber die Aufgabe des Strafgerichtshofs im Kongo ist eine andere: Straflosigkeit zu beenden und Kriegsverbrecher zur Rechenschaft zu ziehen. Das ist schon eine gigantische Arbeit, und auf sie sollte er sich konzentrieren.
DOMINIC JOHNSON